Armin Mueller Stahl begeistert im Bernburger Theater

Für ein Debüt ist es nie zu spät: Armin Mueller-Stahl „Es gibt Tage…“ Lieder aus einer längst vergangenen Epoche trägt der Schauspieler Armin Mueller-Stahl auf dem Album “Es gibt Tage...” vor. Und dennoch wirkt so mancher seiner Texte heute noch so aktuell wie vor über 45 Jahren, als er sie schrieb. Das Prädikat “zeitlos” sollte man nicht inflationär verwenden. Doch die Lieder, die Armin Mueller-Stahl mit dem legendären DDR-Jazzmusiker und Filmkomponisten Günther Fischer und dem Akkordeonspieler Tobias Morgenstern für sein Album “Es gibt Tage...” aufnahm, kann man kaum treffender charakterisieren. 

Denn obwohl Mueller-Stahl diese Stücke schon vor über vier Jahrzehnten schrieb, haben viele der Texte nichts von ihrer Relevanz verloren. Sie mögen zwar aus einer anderen Zeit und politischen Epoche stammen, doch ihre Aussage lässt sich leicht auch auf die Gegenwart übertragen. Seinerzeit hatte Mueller-Stahl sie mit einem von Günther Fischer geleiteten Jazzquartett vorgetragen. Nun wurden sie für “Es gibt Tage...” von Fischer neu arrangiert, verschlankt, aufs Wesentliche reduziert und auch behutsam modernisiert.

 

Der 1930 in Tilsit geborene Schauspieler ist einer der ganz wenigen deutschen Stars, die den Sprung aufs internationale Film-Parkett schafften. Doch in seinem Leben hatte zunächst die Musik die erste Geige gespielt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Mueller-Stahl studierte Violine und Musikwissenschaften und machte mit gerade einmal 19 Jahren sein Musiklehrerexamen. Erst danach wechselte er zur Schauspielerei. In seiner 50-jährigen Filmschauspielerkarriere eroberte er zuerst das Publikum in seiner Heimat DDR, dann jenes in der BRD und schließlich durch Hollywood- und andere internationale Produktionen Filmfans in aller Welt.

Fotograf: Lutz Altrock

Im Herbst 2006 verkündete Armin Mueller-Stahl, dass er sich vom Filmgeschäft weitgehend zurückziehen und verstärkt der Malerei, der Musik und der Förderung junger Künstler widmen wolle. Sein erstes eigenes musikalisches Projekt ist die jetzt vorliegende Aufnahme des Albums “Es gibt Tage...”. “Es war ein Wunsch meiner Frau, die Lieder noch mal ins Leben zu bringen”, sagt Mueller-Stahl. “Während der Produktion entdeckten wir, dass einige von ihnen immer noch aktuell sind.”

 

In seinen Songs entfaltet er eine seltsame, geradezu skurrile und doch sehr poetische Welt, die in der DDR von beklemmender Wirklichkeit war. Man kann sich auf ganz unterschiedliche Weise an jenes politische Gebilde zwischen Ostsee und Erzgebirge erinnern. Aber da war immer ein Gefühl von latenter Bedrohung, dem auf unterschiedlichste Weise zu entfliehen suchte, wer sich nicht mit Partei und Staat arrangieren wollte. Die einen flohen in den Westen, andere in den Widerstand und wieder andere in die Poesie des Alltags. Armin Mueller-Stahl gelingt eine grandiose Symbiose aus allen drei Zuständen. Es gibt Lieder, die ganz konkret das politische System und seine Folgen für den Einzelnen beschreiben, und andere, die sich einfühlsam mit dem Alltag, der Liebe oder Naturbeobachtungen beschäftigen. Viele der Lieder bauen auf Metaphern auf. In unseren heutigen Ohren klingen sie wie Fabeln. Geschichten von Tieren oder Gegenständen, hinter denen etwas ganz anderes steckt. Die DDR war sicher keine metaphorische Gesellschaft, aber für kreative Geister gehörte es zum Überleben, für alles und jedes Gleichnisse zu finden. Wenn eine Metapher zu einfach war, fand man eben eine Metapher für die Metapher.

 

“Es gibt Tage...” ist ein Album, das berührt. Es verzichtet auf jeden überflüssigen Ton, jedes redundante Wort. Die Lieder gehen unter die Haut, gerade weil sie so nackt, ehrlich und ungeschminkt dargeboten werden. “Es gibt Tage...” ist mehr als eine Sammlung von Songs oder eine Reise in die Erinnerung - es ist eine Inszenierung, in die der Hörer mit atmosphärischer Nähe und spontanen Lachern vom ersten Augenblick an eingebunden wird.

 

Das Bestechende an den Liedern Mueller-Stahls ist die Balance zwischen Ironie und Poesie sowie seine Fähigkeit, scheinbar kleine Alltagserlebnisse prägnant und poetisch zu erfassen.