Verfassungsschutzbericht 2014 vorgestellt

Sachsen-Anhalts Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, hat heute in Magdeburg den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2014 vorgestellt. Das Werk informiert über extremistische Gruppierungen und verfassungsfeindliche Bestrebungen in Sachsen-Anhalt und enthält zudem Prognosen über die Entwicklungen in den einzelnen Phänomenbereichen. Wie in den Jahren zuvor stellt der Rechtsextremismus die größte Gefahr in Sachsen-Anhalt dar. Laut Stahlknecht unterliegt die rechtsextremistische Szene offenkundig einem Wandel in ihren Organisationsstrukturen und hinsichtlich ihrer Themen. So passt sich der Rechtsextremismus den gesellschaftlichen Entwicklungen weiter an, in dem er aktuelle Themen aufgreift, öffentliche Diskurse instrumentalisiert und sich positioniert, um die eigenen Vorstellungen zu bewerben, beispielsweise mit der Teilnahme an den islamfeindlichen Protesten in deutschen Städten. Rechtsextremisten versuchen damit, stärker in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen und Akzeptanz zu finden. Insgesamt liegt die Anzahl der Rechtsextremisten im Land bei rund 1.300 Personen, im Jahr 2013 wurden 1.400 Personen gezählt. 

Die hierin enthaltene größte Gruppe der weitgehend unstrukturierten, meist subkulturell geprägten Rechtsextremisten sank im Jahr 2014 auf insgesamt 700 Personen. 2013 waren es noch 830 Personen. Ebenso ging die Anzahl der Mitglieder neonazistischer Gruppierungen von 430 im Jahr 2013 auf 340 im Jahr 2014 zurück.


Rechtsextremistische Parteienlandschaft

Im Bereich des parteigebundenen Rechtsextremismus stagniert bei der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) der Mitgliederbestand und liegt bei rund 250 Personen. Auch die Personalquerelen an der Bundesspitze der Partei, die im Dezember 2013 zum Rücktritt des Bundesvorsitzenden Holger Apfel geführt hatten, hielten im Jahr 2014 weiter an. Nach dem Scheitern bei der Landtagswahl in Sachsen verliert die NPD bundesweit weiter an Mitgliedern und auch an Bedeutung. Die NPD scheint zudem angesichts des momentanen Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gelähmt zu sein. Allerdings zeichnet sich eine Zunahme an anderer Stelle ab. Rechtsextremisten orientieren sich auf die noch junge Partei „DIE RECHTE“, die auch in Sachsen-Anhalt einen Landesverband gründete und derzeit versucht, über Kreisverbände in der Fläche Fuß zu fassen. Die von Neonazis dominierte Partei wird auch für Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt attraktiv. „DIE RECHTE“ entfaltet zunehmend Aktivitäten im Land. Der leichte Zuwachs im parteigebundenen Sektor ist auf diese Entwicklung zurückzuführen.

 

Rechtsextremistische Musik 

Im Bereich der rechtsextremistischen Musik, die nach wie vor eine herausragende Bedeutung für die Bildung und den Bestand der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene hat, kam es zu einer differenzierten Entwicklung. Die Zahl rechtsextremistischer Konzerte in Sachsen-Anhalt nahm mit elf im Berichtsjahr im Vergleich zum Vorjahr (15) ab. Demgegenüber stieg jedoch die Anzahl der durchgeführten Liederabende von vier auf neun. Von besonderer Bedeutung war hier ein Großkonzert der rechtsextremistischen Szene am 28. Juni 2014 im Schwanebecker Ortsteil Nienhagen, an dem etwa 1.000 Personenm teilgenommen hatten.

 

Linksextremismus

Im Jahr 2014 ist das linksextremistische Personenpotenzial nahezu gleich geblieben. Es umfasst insgesamt etwa 520 Personen (2013: 510). Schwerpunktregion der landesweit insgesamt etwa 230 Personen umfassenden Autonomenszene bleibt nach wie vor die Landeshauptstadt Magdeburg. Linksextremisten traten im Berichtsjahr erneut mit Gewalttaten in Erscheinung, vor allem bei der Gegendemonstration am 18. Januar 2014 gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten. Der Anstieg linker Gewalttaten resultiert im Wesentlichen aus diesem Demonstrationsgeschehen. Es wurde mehrfach und massiv versucht, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um zum Aufzug der rechtsextremistischen Szene zu gelangen. In diesem Zusammenhang wurden Polizeibeamte zum Teil von mehreren hundert Angehörigen der linksextremistischen Szene mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik beworfen. Durch Besetzung öffentlich diskutierter Themenfelder rücken Linksextremisten mit ihren Ansichten in die öffentliche Wahrnehmung. Dabei ist festzustellen, dass im Wege einer Instrumentalisierung gesellschaftlich bedeutsamer Themen diese extremistisch „aufgeladen“ werden und legitime Protestformen missbraucht und in einen schlechten Ruf gebracht werden.

 

Islamismus

Dem Islamismus, insbesondere dem Salafismus, kommt eine immer größere Bedeutung zu. Die dynamische Entwicklung konnte im Berichtsjahr an den Eroberungen und Gräueltaten des „Islamischen Staates“ festgestellt werden. Der „Islamische Staat“ hat im Laufe des Jahres große Teile des Irak und Syriens besetzt und dadurch die Region destabilisiert. Diese Entwicklung wird von zahlreichen extremistischen Gruppierungen im Land thematisiert. In Sachsen-Anhalt sind Einzelpersonen als Aktivisten des politischen Salafismus beziehungsweise als Verdachtsfälle einzustufen. Ihre Zahl liegt im unteren zweistelligen Bereich. Einige von ihnen sind mit Salafisten in anderen Bundesländern sowie mit bundesweit agierenden Salafisten vernetzt. Ausreisen von Salafisten aus Sachsen-Anhalt zum Zweck der Teilnahme an den Kämpfen in Syrien sind 2014 nicht bekannt geworden. Allerdings gab es mit der Ausreise eines jungen Mädchens aus Aschersleben im Berichtsjahr erstmals eine konkrete Ausreise in dieses Jihad-Gebiet. Im Umgang mit dem Salafismus ist Umsicht geboten und Prävention wichtig, da salafistische Propaganda, insbesondere im Internet, verstärkt wahrnehmbar ist und aggressive Darstellungen und jugendgerecht gestaltete Angebote eine verführerische Wirkung entfalten.

 

Scientology

Neu in diesem Berichtsjahr ist die Erwähnung der Scientology-Organisation im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt. Die von der Scientology-Tarnorganisation NARCONON beworbene Kampagne „Sag NEIN zu Drogen, sag JA zum Leben“ bemüht sich intensiv, Jugendliche zu erreichen und war auch in Sachsen-Anhalt aktiv. Flyer der Kampagne wurden in Magdeburg, Halle (Saale) sowie in den Landkreisen Harz und Wittenberg festgestellt.

 

Wirtschaftsschutz 

Die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde setzte im Berichtszeitraum ihre Kooperation mit Unternehmen und Unternehmensverbänden erfolgreich fort. Im Bereich Wirtschaftsschutz konnten auf Nachfrage der verschiedenen Unternehmen und Institutionen Vorträge gehalten und so etliche Firmen beratend erreicht werden.