Vereinfachtes Verfahren bei Umstellung auf neues Pflegerecht

Foto: DAK-Gesundheit/iStock
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Zum 1. Januar 2017 werden mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt. Ein Drittel der Deutschen kennt Pflegereform nicht, ergab eine DAK-Umfrage


Das Zweite Pflegestärkungsgesetz stellt damit die Pflegeversicherung und die pflegerische Versorgung auf eine neue Grundlage. Die leistungs-, vertrags- und vergütungsrechtlichen Vorschriften der Pflegeversicherung sind infolgedessen grundlegend neu zu gestalten. Beate Bröcker, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration: „Die Reform nutzt allen – Pflegebedürftigen, Angehörigen und Pflegekräften. Denn der tatsächliche Unterstützungsbedarf wird besser erfasst.“

 

Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollen künftig auch kognitiv-psychische, kommunikative und verhaltensbezogene Beeinträchtigungen vollumfänglich bei der Leistungserbringung berücksichtigt werden. In vielen Fällen wird es also notwendig sein, dass Einrichtungen neue Konzeptionen für die Pflege erarbeiten, die dann höhere Personalaufwendungen nach sich ziehen werden.

 

Die große Herausforderung bei der Systemumstellung liegt allerdings darin, die Vergütungen in Pflegeeinrichtungen an die neue Systematik des Pflegebedürftigkeitsbegriffes anzupassen. Hierfür müssen unter anderem die für die Pflegestufen vereinbarten Pflegesätze für ca. 450 vollstationäre Einrichtungen von den Pflegestufen auf Pflegegrade umgestellt werden. Des Weiteren müssen die personellen Voraussetzungen in den Pflegeeinrichtungen geregelt und umgestellt werden.

 

Die komplizierte Umstellung kann in Sachsen-Anhalt nach einem vereinfachten Verfahren erfolgen. Die Landespflegesatzkommission hat jetzt die Möglichkeit für das vereinfachten Verfahrens nach § 92 c SGB XI geschaffen. Die Einrichtungen wurden bereits alle schriftlich durch die Pflegekassen informiert und können entsprechende Anträge bis zum 015.09.2016 bei den Kostenträgern stellen.

 

Die Staatssekretärin setzt darauf, dass das vereinfachte Verfahren der Umstellung von den Einrichtungen auch genutzt wird: „Ziel ist, den Übergang für die Pflegebedürftigen, aber auch für die Einrichtungen und Dienste der Pflege zügig und so unbürokratisch wie möglich zu gestalten, gemeinsam mit den Pflegekassen, der privaten Pflegeversicherung und dem Land als überörtlichem Sozialhilfeträger.“

 

Das Überleitungsangebot sieht neben Zuschlägen für voraussichtliche Kostensteigerungen auch Verbesserungen der Personalausstattung vor. Damit die verbesserten Leistungen tatsächlich zum Jahresbeginn 2017 überall angeboten können, sei eine intensive Zusammenarbeit aller Verantwortlichen notwendig, sagte die Staatssekretärin: „Pünktlich ab Januar sollen mehr helfende Hände notwendige Unterstützung bieten.“

 

Hintergrund: Das Pflegestärkungsgesetz II trat am 1. Januar 1016 in Kraft. Ab 1. Januar 2017 müssen Leistungsverbesserungen umgesetzt sein, die im wesentlichen darauf zurückzuführen sind, dass anstatt der bisher gültigen drei Pflegestufen der Pflegebedarf nunmehr durch fünf Pflegegrade erfasst werden wird.

 

Gemäß § 86 SGB XI hat die Pflegesatzkommission Befugnisse, die Rahmenbedingungen für die stationären Pflegesatzverhandlungen und das Überleitungsverfahren in das neue Recht im Pflegebereich zu beschließen. In Sachsen-Anhalt existiert eine Pflegesatzkommission für das ganze Land. Ihr gehören auf der Seite der Kostenträger die Landesverbände der Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. und der überörtliche Träger der Sozialhilfe an, vertreten durch die Sozialagentur und das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration. Hinzu kommen die Vereinigungen der Pflegeheimträger auf der Seite der Leistungserbringer. Diese Pflegesatzkommission kann laut § 93c SGB XI ein vereinfachtes Verfahren für die Umstellung auf das neue Pflegerecht festlegen. Die entsprechende Befugnis wurde jetzt für Sachsen-Anhalt genutzt.

Die seit Jahresbeginn geltende Pflegereform ist in der Bevölkerung wenig bekannt: Ein Drittel der Deutschen kennt die gesetzlichen Änderungen nicht. Zehn Prozent wissen gar nicht, dass es die Pflegereform gibt. Das hat eine aktuelle und repräsentative Umfrage* des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit ergeben. Die Situation für Pflegebedürftige schätzen zwei Drittel der Befragten als nicht gut ein.

 

Während einem Drittel die Pflegereform unbekannt ist, wissen 44 Prozent grob Bescheid. Nur 16 Prozent schätzten sich selbst als gut informiert ein. Die Verhältnisse verschieben sich mit steigendem Alter: Bei den unter 30-Jährigen sind 46 Prozent uninformiert, bei den über 50-Jährigen ist der Anteil nur halb so groß.

Es gibt Aufklärungsbedarf

 

Zwei Drittel (67 Prozent) bewerten die allgemeine Pflegesituation in Deutschland als schlecht oder eher schlecht. Nur jeder Fünfte stuft die Situation als gut ein. „Das zeigt zum einen, dass die Pflegereform dringend nötig war“, sagt Annett Saal, Pflege-Expertin bei der DAK-Gesundheit. „Zum anderen scheint es noch immer Aufklärungsbedarf darüber zu geben, welche Möglichkeiten Pflegebedürftige und deren Angehörige haben.“

Pflege: Für viele noch immer ein Tabuthema

 

Mit den engsten Angehörigen hat nur ein knappes Drittel der Deutschen darüber gesprochen, wie diese im Pflegefall betreut werden möchten. Ein Drittel weiß das nicht. Die meisten sprechen nicht darüber, weil bislang der Anlass fehlte (68 Prozent). 35 Prozent meiden das Thema, weil es ihnen Angst macht oder niemand in der Familie darüber sprechen will. „Das Thema Pflege zu tabuisieren, bringt niemandem etwas“, sagt Saal. „Ein Pflegefall kann in jedem Alter eintreten und kommt häufig überraschend. Umso wichtiger ist es, darauf vorbereitet zu sein.“

 

76 Prozent derer, die darüber sprechen, nannten die häusliche Pflege als Wunsch ihrer Angehörigen. Ins Heim wollen 14 Prozent der Betroffenen, eine Pflege-WG können sich nur 13 Prozent vorstellen. Der Zugang zu Wohngemeinschaften soll durch die Pflegereform erleichtert werden. Generell zielt die Reform vor allem darauf ab, die Situation pflegender Angehöriger und Demenzkranker zu erleichtern.

 

Informationen zur Pflegereform bietet die DAK-Gesundheit im Internet unter www.dak.de/pflegereform. Pflegende Angehörige finden unter www.dak.de/pflege eine psychologische Online-Beratung und weitere Angebote.


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