Verfassungsschutzbericht 2015 vorgestellt

Sachsen-Anhalts Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, hat heute in Magdeburg den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015 vorgestellt.


Der Bericht informiert über extremistische Gruppierungen und verfassungsfeindliche Bestrebungen in Sachsen-Anhalt und enthält zudem Prognosen über die Entwicklungen in den einzelnen Phänomenbereichen. Des Weiteren wird inhaltlich zu bedeutenden Themen wie dem Wirtschaftsschutz ausgeführt.

 

Islamismus

 

Dem Islamismus, insbesondere dem Salafismus, kommt eine immer größere Bedeutung zu. Unbestritten steht dieses Thema im Blickpunkt der Öffentlichkeit und erfährt besonderes politisches Interesse. Die dynamische Entwicklung manifestierte sich im Berichtsjahr nicht nur an den Gräueltaten des „Islamischen Staates“ (IS) im Nahen Osten. Aus dem Islamismus und seinen terroristischen Ausprägungen erwächst seit geraumer Zeit für Europa und Deutschland die größte Terrorgefahr, von Anschlägen getroffen zu werden. Mit den Terrorakten in Paris haben sich die von den Sicherheitsbehörden seit längerer Zeit prognostizierten Anschlagsszenarien in Europa bewahrheitet - mittlerweile wissen wir, dass Paris kein Einzelfall war und der islamistische Terror nach eigenen Aussagen auch in Deutschland angekommen sein will.

 

Hinsichtlich der Gefährdung durch den Islamismus ist Sachsen-Anhalt grundsätzlich wie alle anderen Bundesländer betroffen. Festzustellen ist allerdings, dass das zu verzeichnende Personenpotenzial erheblich geringer als insbesondere in den westlichen Bundesländern ausfällt. Die größte Gefahr dürfte aktuell von radikalisierten Einzelpersonen ausgehen, die sich von islamistischer Propaganda zu Aktionen berufen fühlen. In diesem Kontext bereitet es auch Sorge, dass islamistische Angebote offensichtlich gerade für Jugendliche attraktiv erscheinen. Im Blick ist ferner die Gefahr der Radikalisierung der nach Orientierung suchenden Flüchtlinge durch salafistische Organisationen, die mit scheinbar humanitärem Auftreten versuchen, Anhänger zu rekrutieren.

 

Die Zahl der Aktivisten des politischen Salafismus in Sachsen-Anhalt bewegt sich im zweistelligen Bereich. Einige von ihnen sind mit Salafisten in anderen Bundesländern sowie mit bundesweit agierenden Salafisten vernetzt. Ausreisen von Salafisten aus Sachsen-Anhalt zum Zweck der Teilnahme an den Kämpfen in Syrien sind nicht bekannt geworden. Im Berichtsjahr ist allerdings ein Ausreisefall einer Jugendlichen aus Sachsen-Anhalt in das vom IS kontrollierte Gebiet zu verzeichnen gewesen. Die Betroffene hatte sich zuvor mit einer jungen erwachsenen Frau aus einem anderen Bundesland abgesprochen und ist mit ihr gemeinsam über die Türkei nach Syrien gelangt. Exemplarisch lässt sich an diesem Fall ablesen, dass eine Gemengelage aus persönlichen Kontakten sowie der islamistischen Internetpropaganda entscheidend auf den Radikalisierungsverlauf einwirkt.

 

Wirtschaftsschutz

 

Die sachsen-anhaltische Verfassungsschutzbehörde setzte im Berichtszeitraum ihre Kooperation mit Unternehmen und Unternehmensverbänden erfolgreich fort. Im Bereich Wirtschaftsschutz konnten auf Nachfrage von Unternehmen und Institutionen zahlreiche Vorträge gehalten und so etliche Firmen erreicht werden. Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern Magdeburg und Halle-Dessau richtete der Wirtschaftsschutz im Ministerium für Inneres und Sport am 16. September 2015 einen Wirtschaftsschutztag im „Industrie- und Gründerzentrum Magdeburg“ in Barleben (Landkreis Börde) aus. Zur Veranstaltung, die unter dem Motto: „Effizienter Schutz für Unternehmen im In- und Ausland“ stand, konnten rund 100 Teilnehmer aus Wirtschaft und Verwaltung begrüßt werden.

 

Rechtsextremismus

 

Wie bereits in den Vorjahren stellt der Rechtsextremismus die größte Gefahr in Sachsen-Anhalt dar. Laut Stahlknecht instrumentalisierte die Szene die öffentliche Diskussion zur Flüchtlingslage, um ihre Positionen in die Gesellschaft zu tragen und für neue Mitglieder zu werben. Damit setzt sich der Trend fort, dass der Rechtsextremismus sich gesellschaftlichen Entwicklungen weiter anpasst, indem er aktuelle Themen aufgreift, öffentliche Diskurse missbraucht und sich als Meinungsmacher positioniert. Rechtsextremisten ist es damit zum Teil gelungen, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.

 

Die Anzahl der ziel- und zweckgerichtet agierenden Rechtsextremisten im Land liegt im Berichtsjahr bei rund 1.400 Personen, 100 mehr als im vergangenen Jahr. Die hierin enthaltene größte Gruppe der weitgehend unstrukturierten, meist subkulturell geprägten Rechtsextremisten, denen auch der Großteil der im Land begangenen insgesamt 1.749 politisch motivierten Straftaten zuzurechnen ist, stieg im Jahr 2015 auf insgesamt 800 Personen. 2014 waren es noch 700 Personen. Ebenso stieg die Anzahl der parteiungebundenen Rechtsextremisten – meist Neonazis – von 340 im Jahr 2014 auf nunmehr 390.

 

Rechtsextremistische Parteienlandschaft

 

Die Anzahl der Mitglieder der NPD, die sich angesichts des laufenden Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht um Mäßigung bemüht, sank im Berichtsjahr von 250 auf 220. Die Partei hat auch damit zu kämpfen, dass zwei neue Parteien „DIE RECHTE“ und der „III. Weg“ nunmehr ebenfalls in Sachsen-Anhalt aktiv sind. Zumindest „DIE RECHTE“ verfügt über einen Landesverband und einzelne Kreisverbände und ist insbesondere für Neonazis attraktiv.

 

Rechtsextremistische Musik

 

Im Bereich der rechtsextremistischen Musik, die nach wie vor eine herausragende Bedeutung für die gewaltbereite rechtsextremistische Szene hat, kam es zu einer differenzierten Entwicklung. Die Musikszene hat sich angepasst; so kommt es auch zu Stilrichtungen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären wie z.B. den „Nationalen Rap“. Mit elf Konzerten ist die Anzahl der Konzerte im Vergleich zum Vorjahr gleichgeblieben. Demgegenüber sank die Anzahl der durchgeführten Liederabende von neun auf sechs. Die Zahl der dem Verfassungsschutz bekannten rechtsextremistischen Bands hat sich von 15 im Jahr 2014 auf 13 verringert; davon waren drei inaktiv.

 

Linksextremismus

 

2015 ist das linksextremistische Personenpotenzial leicht gesunken. Es umfasst insgesamt etwa 480 Personen (2014: 520). Hiervon werden landesweit etwa 230 Personen den gewaltbereiten Linksextremisten, insbesondere der Autonomenszene zugerechnet, deren Schwerpunktregion sich in der Landeshauptstadt Magdeburg befindet.

 

Linksextremisten engagieren sich in verschiedenen gesellschaftlichen Aktionsfeldern, in denen sie intervenieren. So nutzten sie im Jahr 2015 die öffentliche Debatte über die Asylpolitik, um ihr Agitationsfeld „Antirassismus“ aufzuwerten. Das Thema besitzt ein hohes Maß an Anschlussfähigkeit bis weit in die Gesellschaft hinein. Ferner war erneut eine niedrige Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegen Polizisten sowie gegen vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten zu verzeichnen. Letzteres fügt sich in den aktuellen Kontext einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung ein.



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