Krankenkassen - Neues Gesetz gegen "Wucherzinsen"

Versicherte, die ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr zahlen können, sollen künftig vor Überschuldung geschützt werden. Das Kabinett hat einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Der Säumniszuschlag soll gesenkt und ein Notlagentarif für privat Versicherte eingeführt werden. Auch bei Schulden kann niemand aus der Krankenversicherung ausgeschlossen werden.

Seit 2007 besteht für alle Menschen, die in Deutschland leben, eine Krankenversicherungspflicht. Deshalb kann niemand ausgeschlossen oder gekündigt werden, wenn Beiträge nicht eingezahlt werden. Auf insgesamt 4,5 Milliarden Euro belaufen sich die Beitragsrückstände in der gesetzlichen Krankenversicherung. "Das geplante Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um das Problem sozialer Überforderung von säumigen Beitragsschuldnern zu entschärfen", erläuterte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. "Wir treffen hier nötige Maßnahmen sowohl für den Bereich der gesetzlichen als auch für den der privaten Krankenversicherung."

 

Arbeitgeber und Versicherte haben Beitragsschulden

 

Die Gründe für Beitragsrückstände sind verschieden. Eine wesentliche Ursache ist, dass Arbeitgeber die Gesamt-Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen können. Sie schulden den gesetzlichen Krankenkassen 2,4 Milliarden Euro aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten. Insolvenzen, Nachforderungen aus Betriebsprüfungen oder Rückforderungen aus Insolvenzanfechtungen führen häufig zur Zahlungsunfähigkeit. Von Versicherten, die ihre Beiträge an die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) selbst abführen, sind 2,1 Milliarden Euro Rückstände aufgelaufen. "Selbstzahler" sind freiwillige Mitglieder der GKV und Menschen in der Auffangpflichtversicherung. Sie besteht für Menschen, die bislang nicht selbst krankenversichert waren und im Krankheitsfall nicht anderweitig versichert sind.

 

Freiwillig versicherte Selbstständige

 

Freiwillig versicherte Selbständige geraten leicht durch Insolvenzen in den Rückstand mit ihren Beitragszahlungen. Auf diese Versichertengruppe entfällt eine Beitragsschuld in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro. In der privaten Krankenversicherung zahlen derzeit rund 146.000 Versicherte ihre Beiträge nicht. Nach Schätzung des Verbands der privaten Krankenversicherung gibt es jedes Jahr etwa 3.000 neue Nichtzahler.  "Jeder soll seine Beiträge zahlen, denn eine Solidargemeinschaft existiert nur, wenn alle ihre Beiträge zahlen," so der Gesundheitsminister.

 

Hoher Säumniszuschlag wird gesenkt


Nach dem GKV-Wettbewerbsststärkungsgesetz vom März 2007 kann niemand mehr aus der Krankenversicherung ausgeschlossen werden - auch wenn Beiträge nicht gezahlt werden. Um durchzusetzen, dass die Beiträge gezahlt werden, wird bislang ein Säumniszuschlag von fünf Prozent erhoben. Dies gilt für jeden angefangenen Monat im Rückstand. Durch den Säumniszuschlag sind die Rückstände noch zusätzlich höher geworden.

 

Zukünftig soll deshalb nur der reguläre Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent gelten. Der gesetzlich vorgeschriebene Jahreszins entspräche dann statt 60 nur noch zwölf Prozent. Dadurch wird ein noch größerer Anstieg der Schulden verhindert. Die Kassen können wieder mit Mehreinnahmen rechnen, weil Beitragszahlungen regelmäßiger eingehen.

 

Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung

 

In der privaten Krankenversicherung gilt seit Einführung der Versicherungspflicht, dass der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen ruhend gestellt wird. Die Leistungen werden dann auf ein Notfallniveau herabgesetzt. Die Versicherung muss jedoch nach einem Jahr im Basistarif fortgesetzt werden. Diese Regelung hat zu einer weiteren Überschuldung geführt. Der vom Bundeskabinett nun beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, in der privaten Krankenversicherung einen Notlagentarif einzuführen. Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen, werden nach einem gesetzlich festgelegten Mahnverfahren in diesen Notlagentarif übergeleitet.

 

Versicherungsprämien wesentlich niedriger

 

Der Notlagentarif sieht ausschließlich Leistungen vor, die akute Erkrankungen und Schmerzzustände behandeln. Schwangere und Mütter werden ebenfalls betreut. Deshalb sind die Versicherungsprämien wesentlich geringer und auch für die Betroffenen leichter bezahlbar. Alterungsrückstellungen werden im Notlagentarif nicht aufgebaut. Bereits vorhandene Alterungsrückstellungen können auf die zu zahlende Prämie angerechnet werden (bis zu einer Prämiensenkung in Höhe von 25 Prozent), um den Anstieg von Beitragsschulden zu verhindern. Der bisherige Versicherungsvertrag ruht, solange die Versicherten im Notlagentarif sind. Eine Rückkehr ist möglich, sobald die Rückstände eingezahlt worden sind. "Der Beitrag im Notlagentarif wird, so vermuten wir, zwischen 100 und 150 Euro liegen. Er soll aber nur eine Übergangslösung sein", so Bahr. "Das Ziel muss sein, wieder in den regulären Versicherungschutz zu kommen."