In der Weihnachtskirche im sachsen-anhaltischen Polenzko stehen die größten Krippenfiguren Deutschlands.

Es gibt in Sachsen-Anhalt eine Kirche, in der herrscht das ganze Jahr über Weihnachtsstimmung. Und ein wenig Fernweh, denn das Innere erinnert unweigerlich an die Osterinseln. Wenn man diese Geschichte aber der Reihe nach erzählt, beginnt sie mit einem pensionierten Lehrer, der es am liebsten riesengroß mag. Das kleine romanische Gotteshaus in Polenzko, einem Ortsteil von Zerbst/Anhalt, fällt nicht besonders ins Auge. In Bescheidenheit ziert das Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert den Ort am Rande des Hohen Flämings. Und doch birgt es im buchstäblichen Sinne Großes in sich, ein ganz außergewöhnliches Kunstwerk: die mächtigsten Krippenfiguren Deutschlands. 

Sie als überlebensgroß zu bezeichnen, wäre bei mehr als drei Metern nicht nur untertrieben, es führte auch in die Irre. Denn Horst Sommer (77), der Bildhauer, Zerbster und ehemalige Lehrer, hat den sechs Figuren ein ganz eigenes Antlitz gegeben: So ähneln die Kunstwerke eher den steinernen Kolossen auf den Osterinseln als menschlichen Abbildern. Während Joseph und die drei Hirten recht streng vom Altarraum herüberschauen, blickt Maria etwas unsicher, vielleicht auch zärtlich. Vor ihr liegt in einer Krippe das Jesuskind und streckt seine Händchen in die Welt.

 

Derart viele Details beeindrucken, schließlich kam schweres Gerät zum Einsatz. Sommer musste den tonnenschweren Linden- und Pappelstämmen mit Kettensäge und Beil zuliebe rücken. Diese Lust am Großen war es auch, die Pfarrer Thomas Meyer erst auf den Bildhauer aufmerksam werden ließ. "Er hatte Sommers Arbeiten in seinem Garten stehen sehen", erzählt Ullrich Hahn vom Kirchenrat der Weinberggemeinde Garitz die Entstehungsgeschichte. "Also bat er Sommer um eine Krippe.“ Auf die Frage, wie groß sich der Pfarrer denn seine Krippenfiguren wünsche, habe Meyer die Hand weit über seinen Kopf gehalten.

 

Um den Künstler - und natürlich auch seine Frau, schließlich ging es um ein Projekt, das mehrere Jahre dauern sollte - von seiner Idee zu überzeugen, lud der Pfarrer das Paar in die Kirche ein und las ihnen die Weihnachtsgeschichte vor. Sommer willigte ein, obwohl er dafür kein Geld sehen würde, und ließ keine Zeit verstreichen. Die Bäume, erzählt Hahn, stammten aus dem Zerbster Stadtgebiet, ein Bauer schleppte sie mit seinem Traktor zu Sommer.

 

Im August 2009 zogen Maria und Joseph unter den Sternenhimmel des Altarraums, im Dezember folgte das Jesuskind. Aus der Polenzkoer Kirche wurde die "Weihnachtskirche", sie gehört zu einer Reihe geplanter Themenkirchen des Evangelischen Kirchenkreises Zerbst. Drei Hirten gesellten sich bis 2011 zur Heiligen Familie, einem von ihnen nähte Horst Sommer Haare aus 20 Pferdeschwänzen. Am Ende rundeten stilisierte Tiere das Krippenbild ab, Ochs und Esel sowie einige Schafe.

 

Ganzjährig steht nun die Weihnachtskirche offen, und ganzjährig bestaunen Touristen das beeindruckende Ensemble. Die Polenzkoer sehen es mit Freude, schließlich lassen die Besucher auch die eine oder andere Spende zurück. Das Geld soll in die Sanierung von Dachstuhl und Holzdecke fließen, um die 400.000 Euro muss die gerade 200 Mitglieder zählende Gemeinde dafür aufbringen. „Das schaffen wir natürlich nicht allein. Aber die Idee, eine Kirche unter ein Thema zu stellen, hat unserer Gemeinde große Aufmerksamkeit beschert“, erzählt Kirchenrat Hahn. Die Weihnachtskirche sei jedoch nicht nur zum Spendensammeln entstanden. „Wir wollen das ganze Jahr über an die Geburt Christi erinnern und daran, wie wenig es braucht, um Glück und Zufriedenheit zu empfangen und Nächstenliebe zu schenken. Und wenn die Kunstwerke dafür ein kleines bisschen größer ausfallen mussten “, fügt er schmunzelnd hinzu, „dann haben wir ein gutes Stück Weg geschafft.“

 

 

Autor: regio.m