Bernburger Bündnis zur Anklage wegen des Überfalles auf einen Imbissbetreiber in Bernburg

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Magdeburg hat eine Anklage der Staatsanwaltschaft gegen 9 Männer im Alter von 23 bis 33 Jahren wegen des Überfalls auf einen türkischen Imbissbetreiber zugelassen. Die Angeklagten werden des versuchten Totschlags, der gefährlichen Körperverletzung, sowie teilweise der Beleidigung beschuldigt. Sie sollen u.a. den Imbissbetreiber massiv zusammengeschlagen haben. Weiterhin sollen sie den Mann und dessen deutsche Freundin mit fremdenfeindlichen Parolen beleidigt haben. Ein weiterer ausländischer Staatsbürger soll ebenfalls verletzt worden sein. (Entnommen aus der Pressemitteilung des Landgerichts Magdeburg) Als Nebenkläger treten Anwälte der Geschädigten auf. 

Vier der Angeklagten befinden sich zurzeit in Untersuchungshaft, ein Angeklagter verbüßt zurzeit eine Haftstrafe und die restlichen vier Beschuldigten befinden sich auf freien Fuß. Dieser Bericht beschreibt die ersten drei Prozesstage. Vorab möchte ich persönlich bemerken, es ist schwierig als Prozessbeobachter zu entscheiden, welche Fakten und Einschätzungen in eine Prozessbeobachtung einfließen sollten. Der Prozessbeobachter ist gezwungen, Informationen zu selektieren ohne dabei bestimmte Aspekte dem Leser vorzuenthalten. Welche Informationen für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten, sollte der Leser selber entscheiden können. Des Weiteren muss der Prozessbeobachter versuchen deutlich zu trennen zwischen dem Geschehen im Gerichtssaal und dessen Bewertung. Die vorläufige Protokollierung des Prozesses kann nur eine Momentaufnahme sein. Die kritische Auseinandersetzung damit ist ein anderes Feld.

 

Die Hauptverhandlung wurde im Landgericht Magdeburg am 18.02.2014 eröffnet. Der erste Verhandlungstag verlief unter großem medialen Interesse, weshalb bereits eine Stunde vor Prozessbeginn um 9.00 Uhr eine größere Zahl Pressevertreter und Prozesspublikum sich im Landgericht einfand.

 

Die Justizbeamten des Gerichtes hatten zwei Personenkontrollen im Gerichtsgebäude errichtet. Die erste Personenkontrolle am Eingang des Landgerichtes bestand aus Taschenkontrolle, Kontrolle mittels Metalldetektor und Abtasten. Die zweite Personenkontrolle bestand aus Ausweiskontrolle, Abgabe der Mobiltelefone, Abtasten und Zuteilung der Einlasskarten. Im Gerichtssaal befanden sich permanent mehrere Justizbeamte, die das Publikum, die Pressevertreter und die in Untersuchungshaft und Haft befindlichen Angeklagten beaufsichtigten.

 

Sehr erstaunlich am ersten Prozesstag empfand ich, dass zwei der Angeklagten, die nicht in Untersuchungshaft sind, vor Gericht in Kleidung erschienen, die der rechtsradikalen Szene zuzuordnen ist. Dabei wurde eine Mütze der Marke „Thor Steinar“ und Buttons/Anstecknadeln im nationalistisch-autonomen Look getragen. Anders als an anderen Gerichten mussten diese Kleidungsstücke auch nicht abgelegt oder umgedreht werden. Keiner der Beamten störte sich daran.

 

Auffällig war zudem, dass die 30 Sitzplätze sehr knapp bemessen waren und vorläufig nicht für das gesamte Publikum Sitzplätze zur Verfügung standen. Auch für die drei bestellten Sachverständigen war zu Anfang nur Platz im Publikum reserviert. Das Publikum bestand offensichtlich aus Angehörigen der Angeklagten und einer Reihe weiterer Prozessbeobachter. Bereits nach der Pause waren deutlich weniger Pressevertreter anwesend.

 

Zu Beginn der Verhandlung erklärte die Nebenklage einige Akten nicht erhalten zu haben, der Richter sicherte die Aushändigung zu. Am ersten Prozesstag wurden drei Sachverständige gehört, welche zuvor drei der Angeklagten

begutachtet hatten. Erörtert wurden dabei die persönlichen Lebenswege, Vorstrafen und die persönliche Haltung der Begutachteten. Nur ein Angeklagter äußerte sich während der Begutachtung lückenhaft zum Tatgeschehen. Des Weiteren wurden die medizinischen Berichte der Blutalkoholuntersuchung verlesen. Die Angeklagten tranken noch vor der Blutalkoholuntersuchung im Polizeigewahrsam unterschiedliche Mengen Bier. Wie sich am zweiten Prozesstag herausstellte, war dies möglich, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verhaftet waren, gemeinsam in einer Zelle untergebracht waren und die Polizeibeamten sich außerstande sahen, dies zu unterbinden in Anbetracht der Personenverhältnisse (4 Polizisten zu 9 Personen in Gewahrsam). Die Blutalkoholwerte beliefen sich auf 2,51‰, 0,49‰, 1,44‰, 1,11‰, 1,69‰, 1,08‰, 1,42‰, 1,40‰ und 1,57‰. Außerdem wurden die Vorstrafenregistereinträge verlesen. Die Vorstrafen belaufen sich auf Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen, Fahren unter Alkoholeinfluss, gefährliche Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Betrug. Des Weiteren führt das Vorstrafenregister an: Diebstahl, Wohnungseinbruch, Trunkenheit am Steuer, Volksverhetzung, Beleidigung und gefährliche Körperverletzung. Außerdem listet das Vorstrafenregister die Untersagung des Führens von Waffen in zwei Fällen auf. Hinzukommt bei einem weiteren Vorstrafenregister gefährliche Körperverletzung und Hausfriedensbruch.

 

Ein weiteres Vorstrafenregister listet Körperverletzung und Widerstand gegen Polizeibeamte, Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Waffengesetz und ebenfalls die Untersagung des Führens von Waffen auf. Nachfolgend einige Eindrücke zu den Prozessbeteiligten (Richter, Verteidiger, Angeklagte): Der Vorsitzende Richter Sternberg erweckte am ersten Prozesstag den Eindruck sehr konzentriert zu sein, wobei er sich sehr genau an den Aufzeichnungen in den Prozessakten orientierte. Diese Gewissenhaftigkeit wirkt zum Teil leicht überzogen, wenn er beispielsweise Rechtschreibfehler in den Akten vorliest. Der Richter reagierte abweisend auf die Nachfrage der Nebenklage, ob das Gericht bereits die Akten der JVAs eingesehen habe. Der Richter hielt dies nicht für notwendig. Der zweite Richter und die Richterin machten einen weniger konzentrierten Eindruck. Sehr negativ fiel während der Verlesung der Vorstrafeneinträge die Behandlung der Akten zum Fall Pömmelte auf. Einer der Angeklagten verübte 2006 eine schwere Straftat, die für Empörung sorgte.

 

Der Rechtsextremist quälte zusammen mit zwei Beteiligten einen zwölfjährigen, dunkelhäutigen Jungen im Ort Pömmelte auf äußerst brutale und rassistische Weise. In diesen Akten wird das Opfer mehrfach erwähnt aber mit keiner Silbe bemerkt, dass das Opfer seit mehreren Jahren tot ist. Dadurch wirkte der Vortrag sehr zynisch und ob der Schwere der geschilderten Verbrechen herrschte im Gerichtssaal bedrückende Stille. Die Verteidiger blieben weitestgehend ungerührt und schlugen nur gelegentlich Texte in ihren Unterlagen nach. Die Angeklagten blieben ebenfalls weitestgehend ungerührt und konzentriert. Die Anklage (Staatsanwältin Vieweg und eine Kollegin) und die Nebenklage erweckten einen aufmerksamen Eindruck. Die Staatsanwältin reagierte allerdings deutlich abweisend auf die Nachfrage der Nebenklage nach den polizeilichen Notrufprotokollen. Sie bezog sich darauf, dass dies Interna der Polizei sind. Die Betroffenen machten während ihrer kurzen Anwesenheit einen sehr angespannten Eindruck.

 

Der offiziell zweite Prozesstag am 20.02.2014 wurde vom Vorsitzenden Richter abgesagt. Dieser Prozesstag war vorgesehen für Einlassungen der Angeklagten, die diese ablehnten.

 

Der zweite Prozesstag am 21.02.2014 verlief ohne jegliches mediales Interesse. Dafür fanden sich offensichtlich Unterstützer der Angeklagten ein – bekannte Neonazis insbesondere aus Schönebeck, die fast die gesamten Sitzplätze im Publikum füllten. Dabei spielte es wiederum keine Rolle, dass Personen im Publikum das Gericht und die Beamten verhöhnten und öffentlich unter anderem die Schwarze Sonne  (rechtsradikales Erkennungssymbol, http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Sonne) zur Schau trugen. An diesem Prozesstag wurden die Zeugenaussagen mehrere Polizeibeamter erörtert. Außerdem ließ der Angeklagte Steinbach eine Stellungnahme verlesen, in welcher er sich vorsichtig von der Tat distanziert bzw. angab nicht dabei gewesen zu sein.

 

Der dritte Prozesstag am 03.03.2014 verlief ohne mediales Interesse. Im Publikum befanden sich wiederum eine Reihe von Prozessbeobachtern und Angehörigen der Angeklagten. Zum Beginn der Verhandlung gab die Sachverständige an, einen Angeklagten weiter psychologisch zu untersuchen. An diesen Prozesstag wurden eine Polizeibeamtin gehört, die drei Vernehmungen nach den Festnahmen durchführte. Ein Angeklagter verweigerte dabei die Aussage während der Vernehmung. Zwei weitere Angeklagte äußerten sich zu Sache. Auffällig war hierbei, dass sich die Angaben zum Teil deutlich voneinander unterschieden bzw. sogar widersprachen. Andererseits ergaben sich gewisse Schnittmengen in der Schilderung des Tages und der Tat. Außerdem waren die Aussagen von Erinnerungslücken geprägt. Die Polizistin gab an, einen der Angeklagten bereits von der polizeilichen Aufklärung von Feiern im rechten Milieu zu kennen und schließt eine Verwechslung aus.

 

Es wurde eine weitere Polizeibeamtin, die eine weitere Vernehmung durchführte, gehört. Diese Polizeibeamtin kannte den Angeklagten ebenfalls aus einer vorherigen Ermittlung. Die Aussagen, die ihr gegenüber getroffen wurden bestätigen das Bild des Hergangs am Bernburger Bahnhof, wie in den anderen Vernehmungen. Die Aussagen sind lückenhaft und zum Teil widersprüchlich. Des Weiteren wurde ein Amtsrichter gehört, der die Haftprüfung in einem Fall vornahm. Wiederum wurde eine abweichende Variante des Hergangs geschildert.

 

Ein weiterer Amtsrichter wurde gehört, der ebenfalls eine Haftprüfung durchführte. Ebenso wurde wieder ein abgewandelter Vorgang des Hergangs geschildert. Der Angeklagte gab dabei unumwunden zu, NPD-Wähler zu sein und an den Trauermärschen der Rechten Szene teilzunehmen. Allen Angehörten wurden mehrfach detaillierte Fragen zu einzelnen Formulierungen durch Richter, Anklage, Nebenklage sowie Verteidiger gestellt und auch nach dem persönlichen Eindruck der Angeklagten gefragt. Dabei gaben die Angehörten an, zum Teil den Eindruck gehabt zu haben, dass die Angeklagten mehr wissen, als sie preisgeben wollten.

 

Die ersten drei Prozesstage ergeben noch kein schlüssiges Bild, wohin der Prozess steuert. Die rechte Gesinnung steht bei sechs der Angeklagten außer Frage, bedingt durch das persönliche Bekenntnis dazu, Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund, persönlicher Präsentation im szenetypischen Habitus und Teilnahme an Aufmärschen organisierter Neonazis. Welchen Weg die Verteidigung gehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau einzuschätzen, da sich die Verteidiger zurückhalten. Bemerkenswert negativ fällt der Prozessbeobachtung auf, dass nach dem anfänglichen großen Medieninteresse keine Pressevertreter anwesend sind.

 

Es folgen die Prozesstage am 07.03.; 10.03.; 13.03.; 14.03.; 17.03.; 21.03.; evtl. 24.03.; evtl. 26.03.

und evtl.28.03..

 

 

Prozessbeobachtung des Bernburger Bündnis