Erkältungswelle sorgt für Drei-Jahres-Hoch beim Krankenstand

Erkältungskrankheiten machten 2013 den Menschen in Sachsen-Anhalt ganz besonders zu schaffen. Fehltage aufgrund von Husten und Schnupfen sind um 23 Prozent gestiegen: Bezogen auf 100 Arbeitnehmer kletterte die Zahl der Ausfalltage von 258 auf 316: Der kalte Winter 2013 trug insofern dazu bei, dass der Krankenstand mit 4,9 Prozent ein Drei-Jahres-Hoch erreichte. Das heißt: Pro Tag waren im vergangenen Jahr von 1.000 Arbeitnehmern im Schnitt 49 krankgeschrieben, im Bund 40. Dies zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport 2014. Das IGES Institut aus Berlin wertete dafür Daten von 61.700 erwerbstätigen DAK-Versicherten aus Sachsen-Anhalt aus.

Fast 18 Tage war ein bei der DAK-Gesundheit versicherter Beschäftigter in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr krankgeschrieben. Die größte Rolle für den Krankenstand spielten Probleme des Muskel-Skelett-Systems, zum Beispiel Rückenschmerzen. Sie waren für 22,9 Prozent aller Fehltage verantwortlich. Es folgten Atemwegserkrankungen mit 17,7 Prozent. Auf den Plätzen drei und vier rangierten Ausfalltage wegen Verletzungen (13 Prozent) und psychischen Erkrankungen (11,5). Auffällig: In Sachsen-Anhalt legen mit 57 Prozent deutlich mehr Menschen mindestens eine Krankmeldung pro Jahr vor als bundesweit mit 51 Prozent. „Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, den vergleichsweise hohen Krankenstand in Sachsen-Anhalt zu senken“, sagt Björn Schönberg, Regionalchef der DAK-Gesundheit. „Unsere Krankenkasse unterstützt deshalb aktiv Unternehmen dabei, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern. Das ist vor allem in Branchen wichtig, die von einem hohen Krankenstand betroffen sind.“

 

Der DAK-Gesundheitsreport deutet darauf hin, dass die Beanspruchung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen und im verarbeitenden Gewerbe besonders hoch ist. In diesen Branchen gab es mit 5,2 beziehungsweise 4,9 Prozent den höchsten Krankenstand in Sachsen-Anhalt. Beschäftigte in der Rechtsberatung und anderen Unternehmensdienstleistungen hatten hingegen mit 4,1 Prozent den niedrigsten Wert.

 

Im aktuellen Landesreport untersucht die DAK-Gesundheit insbesondere die Situation der sogenannten Rushhour-Generation in Sachsen-Anhalt. Die Rushhour bezeichnet eine Lebensphase zwischen 25 und 39 Jahren, in der sich vielfältige Anforderungen aus Beruf und Familie ballen. Die Kasse hat dafür den Krankenstand ihrer Mitglieder analysiert und bundesweit mehr als 3.000 Männer und Frauen dieser Altersgruppe repräsentativ befragt – mit und ohne Kinder. Das Fazit: Obwohl viele Beschäftigte in der Rushhour des Lebens wegen Mehrfachbelastung unter Druck stehen, wirkt sich das nicht bei den Krankschreibungen aus. Sie fallen deutlich seltener aus als jüngere Kollegen und sind kürzer krankgeschrieben als die Älteren. Allerdings fehlten die 25- bis 39-Jährigen in Sachsen-Anhalt häufiger als ihre Altersgenossen im Bund. Die Zahl ihrer Ausfalltage liegt 28 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.

 

„Beruf, Kinder, Karriere – in jedem Fall sind die 25- bis 39-jährigen Arbeitnehmer besonders beansprucht“, so Schönberg. „Damit sie bis zum 67. Lebensjahr produktiv bleiben, sollten Arbeitgeber nachhaltiger in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren. Der im Vergleich zu den anderen Altersgruppen niedrigere Krankenstand der 25- bis 39-Jährigen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in diesem Alter erste Ansätze für chronische Krankheiten bilden.“ So war 2013 in dieser Altersgruppe fast jeder fünfte Mann und jede vierte Frau mit Rückenschmerzen beim Arzt. Unter den 20 häufigsten Einzeldiagnosen bei Männern gab es neben den akuten Beschwerden auch bereits langfristige Beeinträchtigungen: 7,3 Prozent der Männer ließen sich behandeln wegen Bluthochdruck, der häufig in Verbindung mit Stress und Bewegungsmangel steht. Und 28,5 Prozent der Beschäftigten mussten wegen eines psychischen Leidens zum Arzt. Diese Krankheitsbilder kehren häufig später im Leben wieder und können den Gesundheitszustand langfristig stark beeinträchtigen.

 

Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass erwerbstätige Eltern in Sachsen-Anhalt weniger auf ihre Gesundheit achten als ihre Kollegen ohne Kinder. Sie machen im Spagat zwischen Job und Familie viele Abstriche, gönnen sich weniger Zeit für sich selbst und ihren Partner. Regelmäßiger Sport hat für sie einen geringeren Stellenwert und an ausreichend Schlaf ist bei vielen nicht zu denken. Sie rauchen auch häufiger als ihre Kollegen ohne Kinder. Beruflich gesehen stehen vor allem die Frauen schlechter da als ihre kinderlosen Kollegen: Laut Studie sagt jede zweite Mutter, ihre Karriere werde durch die Kinder abgebremst. Bei den Vätern sieht sich nur jeder fünfte durch den Nachwuchs beruflich gehemmt.   

 

Mit Ausnahme von Teilzeitarbeit haben Betriebe in Sachsen-Anhalt in Sachen Familienfreundlichkeit noch Nachholbedarf. Sehr oft gehen Angebot und Nachfrage deutlich auseinander. So sind laut Studie fast sieben von zehn erwerbstätigen Eltern der Meinung, Gleitzeit würde ihren Alltag erleichtern, aber nur gut ein Drittel kann ein entsprechendes Angebot nutzen. Auch Betriebskindergärten oder -krippen sind bei ihnen beliebt – aber nur eine kleine Minderheit der Firmen in Sachsen-Anhalt bietet sie an. Oft fehlt es den Eltern auch schlicht an mehr Verständnis: 58 Prozent wünschen sich, dass Kollegen und Chefs die Familiensituation bei der Planung von Terminen berücksichtigen, aber nur ein Viertel kann mit so viel Umsicht rechnen. „Wir brauchen einen Kulturwandel in unseren Unternehmen und mehr Rücksicht auf die Eltern“, so Schönberg, „sonst wird sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum weiter verbessern.“

 

 

IGES steht für Forschung, Entwicklung und Beratung in den Bereichen Infrastruktur und Gesundheit. Zu den wichtigsten Arbeitsfeldern des Berliner Instituts zählen die Versorgungsforschung und die Gesundheitsberichterstattung. Besonders auf dem Gebiet der Auswertung von Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung hat sich das IGES in mehr als 30 Jahren einen Namen gemacht. www.iges.de.