Als in Bernburg noch Flugzeuge gebaut wurden

Insgesamt 9.775 Flugzeuge wurden in Bernburg von 10/1937 bis 04/1945 gebaut und der Wehrmacht übergeben. Aus diesem Grunde galt das Werk Bernburg als wichtiges Kriegsziel und wurde als zweites Ziel auf die Flugzeugindustrie mehrfach bombardiert.

 

 

Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (JFM) mit Sitz in Dessau entstand 1936 während der Zeit des Nationalsozialismus aus der Verschmelzung von Junkers-Motorenbau GmbH und Junkers-Flugzeugwerk AG. Sie waren Hersteller einer Vielzahl von Motoren- und Flugzeugtypen und damit einer der bedeutendsten Rüstungskonzerne des Deutschen Reiches vor und während des Zweiten Weltkriegs. 

 

Neben dem Stammwerk in Dessau, das in der Spitze bis etwa 40.000 Menschen beschäftigte, betrieben die JFM Fabrikstätten in Halle/S., Gräfenhainichen und Jüterbog. In der Folgezeit wurden weitere Zweigwerke in  Aschersleben (Mai 1935), Bad Langensalza, Bernburg-Strenzfeld (Werk Bernburg, Oktober 1937), Halberstadt (März 1935), Kassel-Bettenhausen (MWK, Motorenbau Werk Kassel, August 1940), Köthen (MZK, Motorenbau-Zweigwerk Köthen, April 1935), Leopoldshall bei Staßfurt (März 1935), Magdeburg-Neue Neustadt (MZM, Motorenbau-Zweigwerk Magdeburg), Merseburg, Muldenstein (Muldenwerke AG), Schönebeck (Elbe), Zittau (Zittwerke AG, März 1944) eröffnet. Während des Krieges kamen unterirdische Standorte dazu, wie die Heimkehle und KZ Dora-Mittelbau. Im Laufe des Krieges wurden viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen, beschäftigt. Darunter befanden sich ab 1944 auch weißrussische Jugendliche, die in der „Heuaktion“ verschleppt worden waren. Die Konstruktionsabteilung mit etwa 80 Mitarbeitern wurde im Krieg von Dessau nach Gernrode ins Haus Hagental ausgelagert. Nach Hinweisen aus dem Werk Dora stellten die Amerikaner bei Kriegsende, kurz vor dem Eintreffen der Sowjetarmee, dort tonnenweise Konstruktionsunterlagen sicher. Der letzte Junkers-Generaldirektor Leo S. Rothe (* 1900, ab 1941 Nachfolger von Heinrich Koppenberg  erlebte die Überrollung in Ballenstedt im Harz, stellte sich den Amerikanern und wurde von diesen im Lager Oberursel bei Frankfurt für sechs Wochen interniert und dann entlassen. 

 

Neben zu militärischen Zwecken umkonstruierten, schon vorher produzierten Flugzeugtypen wie der Ju 52 wurde eine Reihe von Kampfflugzeugen wie die Ju 87 („Stuka“), die Ju 88 sowie Flugzeugteile und Motoren unter der Marke Junkers Jumo hergestellt. Ab 1937 folgte die Entwicklung des ersten serienreifen Strahltriebwerks Jumo 004, welches später u. a. in der Messerschmitt Me 262 verwendet wurde. Im Zweiten Weltkrieg zählten die Jumo 213 und Jumo 222 zu den besten Hochleistungstriebwerken.

Am 20. Februar 1944 erfolgte der erste Bombenangriff der alliierten Luftstreitkräfte auf Bernburg. Die Luftangriffe galten der Vernichtung der deutschen Flugzeugindustrie, und Bernburg war eine bedeutesten Produktionsstätten der Ju.  Nach Bernburg / Strenzfeld kamen aus den vielen Zweigwerken die Flugzeugteile, denn hier erfolgte die Endmontage der Ju 88. Auf dem Schießplatz in Strenzfeld wurden auch die Waffen der Flugzeuge justiert und eingeschossen, anschießend erfolgten die Flugtests. Insgesamt 9.775 Flugzeuge wurden in Bernburg von 10/1937 bis 04/1945 gebaut und der Wehrmacht übergeben. Aus diesem Grunde galt das Werk Bernburg als wichtiges Kriegsziel und wurde als zweites Ziel auf die Flugzeugindustrie mehrfach bombardiert.

 

Insgesamt wurden auf den Fliegerhorst Bernburg fünf Luftangriffe geflogen. Diese erfolgten am 20. und 22. Februar, 11. April, 29. Juni und 07. Juli 1944, welche zu erheblichen materiellen Schäden an den Gebäuden und der Infrastruktur führten. Das Bernburger Zweigwerk der Junkers Flugzeug und Motorenwerke war damals ein wichtiger Betrieb der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie. Trotz der immensen Schäden erreichte die Flugzeugproduktion in Bernburg in den Folgemonaten Rekordwerte.


Noch im Januar 1945 wurde die Produktion von so genannten Mistelgespannen aufgenommen. Diese waren fliegende Bomben, welche aus Zusammenbauten von Ju 88 als Bombe und FW 190 als Führungsflugzeug entstanden. Dabei wurde in Bernburg das Aufsetzten eines Bombenflugzeug auf ein Trägerflugzeug erstmals umgesetzt und realisiert. Im März 1945 wurde dann auch noch die Produktion der He 162 (Volksjäger) in Bernburg aufgenommen. Mehr als 1.000 Flugzeuge wurden in Bernburg pro Jahr gebaut und eingeflogen. Am 12./14. April 1945 wurde der JFM - FZB und der Fliegerhorst Bernburg durch amerikanische Truppen besetzt.

 

Dadurch endete die Produktion vollständig. Am 21. Juli 1945 wurde der Fliegerhorst Bernburg schließlich an die sowjetischen Truppen übergeben. Damit begann die planmäßige Demontage und Abwicklung der JFM - FZB und des Fliegerhorstes Bernburg. Die Installationen und Anlagen wurden in die Sowjetunion abtransportiert. 1950 war die vollständige Demontage abgeschlossen und vom ehemaligen Werksgelände des JFM - FZB blieb fast nichts übrig. Auf dem Gelände des Fliegerhorstes, heute der Stadtteil Bernburg Strenzfeld, gründete sich 1957 die Hochschule Bernburg. Bis 1989 war in Bernburg ein Stützpunkt der Sowjetarmee, dieser befand sich an der Röße, die so genannte "Russensiedlung".

 

Die in der Junkers-Motorenbau und dem Junkers-Flugzeugwerk hergestellten Motoren und Flugzeuge genossen national und international einen ausgezeichneten Ruf, gleichzeitig galt ihr alleiniger Eigentümer Hugo Junkers den NS-Machthabern als politisch unzuverlässig. Junkers wurde daher 1933 gezwungen, seine privat gehaltenen Patente auf die Unternehmen zu überschreiben und 51 % seiner Anteile an das Reichsluftfahrtministerium entschädigungslos abzugeben. Gleichzeitig bekam Junkers Hausverbot in seinen Werken und wurde in seinem Sommersitz in Bayrischzell unter Hausarrest gestellt. Nach Junkers’ Tod 1935 überließ seine Witwe und Erbin Therese Junkers die restlichen Anteile gegen eine Zahlung von ca. 30 Millionen RM ebenfalls dem Luftfahrtministerium.

Bilder: Stadtarchiv Bernburg

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