Die Geschichte des Schulwesen in Bernburg

In bisher unbekannten Niederschriften kann nun ein Auszug aus der Vorkriegszeit, der Zeit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, das Ende des Krieges unter Amerikanischer Besatzung und der Wiederaufbau unter Sowjetischer Besatzung Februar 1946 rekonstruiert werden.


Die heute unter dem Namen Franz-Mehring bekannte Schule in Bernburg hat eine lange Vergangenheit. Am 20. März 1886 als Volksschule I eingeweiht, mussten hier durch den massiven Einwohnerzuwachs bis zu 2.535 Kinder unterrichtet werden. Körperliche Züchtigung war als letztes Strafmittel erlaubt. Buben und Mädchen gingen in getrennte Schulen. Im Krieg wurden die Kinder für schulfremde Leistungen wie Altstoffsammlungen, Maisanbau, Geldsammlungen, zur Ablieferung von abgelegten Schuh, zur Kleider- und Schulbüchersammlungen beansprucht. Lehrermangel und Luftangriffe führte zu massiven Unterrichtsausfällen. Schließlich wurde die Schule Lazarett. Mit der Amerikanischer Besatzung erfolgte das Ende des Nazistaates. Die Zunehmende Verwahrlosung von Jugendlichen und die schlechten Gesundheitsverhältnisse wurden schließlich unter der Sowjetischen Besatzung gemeinsam mit Polizei und Jugendamt bekämpft.

 

Die Geschichte des Schulwesen in Bernburg

 

"In den 1880 Jahren wurde das Schulwesen im damaligen Herzogtum Anhalt neu geregelt. Alle Schulen wohl mit Ausnahme der katholischen Konfessionsschulen, wurden verstaatlicht und der Anhaltischen Regierung, Abteilung für das Schulwesen, unterstellt. Damals entstanden in Bernburg die Knabenmittelschule und die Bürgerschule für Mädchen. Mit der Umgestaltung der Volksschulen in Bernburg wurde 1882 Rektor Knorre beauftragt. Er richtete damals in der Bergstadt eine 6-klassige und in der Talstadt eine 4-klassige Volksschule ein, die beide von Rektor Knorre verwaltet wurde. 1894 wurde die Talstädter Schule mit der Waldauer vereinigt und erhielt unter der Bezeichnung Volksschule II ein eigenes Rektoriat. Die Bergstädter Schule hieß seit dem Volkschule I.

 

Das Gebäude der selben in der Karlstraße, die heutige Franz-Mehring-Schule, wurde am 20.03.1886 eingeweiht. Die bis dahin in der Bergstadt bestehenden Schulhäuser erwiesen sich bei der Zunahme der Bevölkerung infolge der wachsenden Industrie als ungenügend. Namentlich nach dem Entstehen der Sodafabrik 1882 wuchs die Einwohnerzahl sprunghaft und damit die Schülerzahl.

 

Im Bericht über das Schuljahr 1883/ 1884 wird sie für die Berg-, und Talstädter Volksschulen mit 1.217 zu Beginn des Schuljahres und 1.232 zu Ende des Schuljahres angegeben. Am Ende des Schuljahres 1893/ 1894 war die Schülerzahl auf 2.426 angewachsen. Die Abzweigung der Talstädter Schule brachte keine wesentliche Erleichterung für die Volksschule I, weil die Bevölkerung der Bergstadt weiter stark zunahm. Die Volksschule I begann 1894 mit 2.027 Schülern und hatte zu Ende des Schuljahres 1900/ 1901, dem letzten vor der Abzweigung der Volksschule II, 2.535 Kinder. Diese wurden in 41 Klassen und eine Hilfsklasse, die 1900 eingerichtet wurde, unterrichtet. Die Schülerzahl in den Klassen war sehr hoch, in den unteren Klassen (1. bis 4. Schuljahr) waren es meist über 70, in den höheren Klassen (5. bis 6. Schuljahr) in etwa 60 Schüler.


Körperliche Züchtigung

 

Die körperliche Züchtigung als Erziehungs- und Zuchtmittel wurde in den 20er Jahren in Lehrervereinen viel  diskutiert, und viele waren für den vollständigen Verzicht auf dieselbe. Nach einer Regierungs-Verfügung vom 30.10.1913 war sie nur als letztes Strafmittel erlaubt, nach dem alle übrigen Zuchtmittel der Schule versagten. In der vierjährigen Grundschule und Mädchen gegenüber war sie verboten. Gestattet war sie bei Knaben des 5. bis 8. Schuljahres in maßvoller, genau vorgeschriebener Weise bei wenigen, besonders aufgeführten Vergehen.

 

In jeder Schule, zumeist aber in solcher, in welcher mehr als tausend Schulkinderverkehren, ist eine bestimmte, die äußere Zucht geschuldete Schulordnung nötig, wenn nicht Unzuträglichkeiten fort und fort sich wiederholen sollen.  Durch richtige pädagogische Führung sollten die Kinder zu Gehorsam und Fleiß angehalten werden.

Schulunterricht unter der Herrschaft des Nationalsozialismus

 

In den Jahren nach 1933 wurde zunächst an der Organisation der Volksschule wenig geändert! Auch der Unterricht wurde in den meisten Fächern in der gleichen Art weiter erteilt. Um eine Leistungssteigerung herbei zu führen, wurde später eine Abschlussprüfung in der Volksschule eingerichtet und im Abgangszeugnis vermerkt, ob das Ziel der Schule erreicht war. 1939 wurden Zensurenskalen von 1 bis 6 eingeführt. 1941 wurde der beginn des Schuljahres auf den 1. Schultag nach den Sommerferien festgelegt. Ein Elternbeirat scheint nicht mehr bestanden zu haben, denn Elternversammlungen wurden seltener. Sie hatten den hauptsächlichen Zweck, die Eltern über nationalsozialistische Erziehung zu unterrichten.

 

In der Vorweihnachtszeit fand solange nicht Krieg war - eine Weihnachtsfeier für die Eltern statt, die immer gut besucht war. Am 20.03.1936 wurde das 50-jährige Jubiläum der Volksschule I gefeiert. An die Gedenkstunde in der Aula am Vormittag folgte am Abend eine Veranstaltung im vollbesetzten Kurhaussaal.

 

Der zweite Weltkrieg brachte größere Störungen des Schulbetriebes mit sich. Vielerlei Kriegseinwirkungen - Lehrerknappheit in Folge der Einziehungen in den Heeresdienst, Raum- und Rohstoffmangel, Luftalarm und Belastung der Schule mit schulfremden Aufgaben führten, je länger, je mehr zu einer großen Beeinträchtigung des Unterrichts und zu einer Verminderung der Leistungen. Daran konnte auch die Forderung des Regierungsrates Schulze vom 27.12.1939, "das kein Absinken der Schulleistungen mehr statthaft sei", nichts ändern.

 

Immer mehr wurden die Kinder für schulfremde Leistungen beansprucht, zur Feldarbeit zu Altstoffsammlungen, Maisanbau, Geldsammlungen für das Kameradschaftsopfer des Vereins für die Auslandsdeutschen, zur Ablieferung von abgelegten Schuh, zur Kleider- und Schulbüchersammlungen für die sogenannte Ostmark. Auch das Filmgerät der Schulen wurde angeblich für die Ukraine eingezogen.

 

Die Schülerzahl stieg infolge der Evakuierungen aus den Großstädten 1942 auf 1.050 Schüler, aber die Zahl der Lehrer in der Volksschule I verringerte sich ständig, immer mehr wurden eingezogen oder nach Landorten abgeordnet. Man behalf sich mit Laienlehrern und - Lehrerinnen. Immer mehr Schulgebäude wurden für militärische Zwecke beschlagnahmt.

 

Seit Herbst 1941 wurde eine 3. Volksschule in der Volksschule I untergebracht, sodass eine Schule vormittags, die andere nachmittags Unterricht hatte. Die Unterrichtsstunden wurden auf 40 Minuten verkürzt. 1944 wurde das Gebäude der Volksschule I schließlich Lazarett. Am 27.11.1944 war das Kollegium auf 12 Lehrkräfte zusammen geschrumpft, die in 5 verschiedenen Lokalen unterrichteten.

 

Am 09.01.1945 standen der Volksschule I im ganzen noch 8 Räume in verschiedenen Gebäuden, (im Stadthaus, in der Handelsschule, im Gasthof Schmidts Ausspann) zur Verfügung. Die Klassen sollten nach dem letzten Plan in der Regel 12 Wochenstunden haben. Aber infolge der immer häufiger werdenden Luftalarme wurde nicht viel daraus. Nach langen nächtlichen Alarmen begann der Unterricht später. Häufig mussten währen der Schulzeit die Luftschutzkeller aufgesucht werden, zuletzt in der Schlossbrauerei in der langen Straße.

 


Ende des Krieges unter Amerikanischer Besatzung

 

Als das Kriegsgeschehen in die unmittelbare Nähe von Bernburg kam und schließlich die Amerikaner einrückten, war kein Unterricht mehr. Mit dem Nazistaat war auch die nationalsozialistische Schule zu Grunde gegangen. 1946 wurden die Reste des Nationalsozialismus beseitigt. Das Lazarett im Gebäude der Volksschule I wurde noch unter der Besatzung der Amerikaner aufgelöst. Die Bücherei und die Lehrmittel, die in der Turnhalle und im Schuppen aufbewahrt wurden waren, wurden später von den Lehrern, soweit möglich, in das alte Lehrmittelzimmer in das Schulgebäude zurück gebracht. Man versuchte zu retten, was zu retten war. Von der wertvollen Ausstattung für den Werksunterricht war in der Zwischenzeit sehr viel verschwunden.


Die erste amtliche Besprechung der Lehrkräfte fand am 03. August 1945 unter dem Vorsitz des zum Schulleiter ernannten Lehrer Otto Backe statt. Es waren 9 Lehrkräfte zugegen. Rektor Richter war als Leiter an die Mittelschule versetzt, Kollege Kaiser in gleicher Eigenschaft an die Volksschule III. Einige Kollegen waren noch nicht zurückgekehrt und ein Lehrer sowie eine Lehrerein aus politischen Gründen entlassen.

 

Vom 14.10.1945 bis Ende Januar 46 fanden all sonntäglich Mittags Zusammenkünfte der Lehrer statt. Einige Lehrer gingen ab, Umsiedler aus dem Osten und der Tschechoslowakei kamen. Nach und nach wurden weitere Lehrkräfte zugewiesen, sodass im April 46 schon 25 Lehrer an der Volksschule I tätig waren. Dazu kamen im Juni noch 5 Hilfskräfte als Laienlehrer. Am Ende des Schuljahres 46 unterrichteten 32 Personen. Es stand nur das Gebäude in der Karlstraße zur Verfügung. Die beschränkte Zahl der Klassenräume erforderte, das zwei oder sogar drei Klassen nacheinander in einem Raum unterrichtet werden mussten. Die Stundenzahl war anfangs sehr gering. Es wurde vormittags von 08 bis 13 Uhr und nachmittags 15 bis 18:30 Uhr unterrichtet. Zunächst wurde nur Deutsch und Rechnen geschrieben, und zwar wurde im ersten viertel Jahr nur wiederholt und der Stoff des letzten Schuljahres erarbeitet und gefestigt.     

 

In einzelnen Fachkonferenzen wurden Arbeitspläne für die einzelnen Fächer und Klassen aufgestellt. Naturkunde wurde nach Weihnachten erteilt, während Erdkunde zunächst noch nicht und Geschichte bis zu Schuljahresabschluss nicht unterrichtet werden durfte, aber das Gegenwartsgeschehen, die Bodenreform und der Nürnberger Prozess wurden in den Oberklassen behandelt.

Wiederaufbau unter Sowjetischer Besatzung Februar 1946

 

Ein Elternbeirat von 24 Elternteilen der Volksschule I wurden namhaft gemacht, die Interesse für Schulfragen hatten und zu gleichen Teilen eine der vier antifaschistischen-demokratischen Parteien (SPD, CDU, KPD und LPD) angehörten.

 

Einen geordneten Schulunterricht stellte sich  mancherlei Hindernisse in den Weg, die sich aus der Not der Nachkriegszeit ergaben und auch in den folgenden Jahren noch auftraten. Schlechte Gesundheitsverhältnisse, Unterernährung, Mangel an Kleidern, Schuhwerk und Kohle verursachte Schulversäumnisse, Unsauberkeit und die Läuseplage trat wieder auf. Es fehlten Schulbücher, Schreibpapier, Schiefertafeln, Schreibwerkzeug. In den Schulen mussten Impfungen gegen Diphtherie und Scharlach, später auch gegen Tbc durchgeführt werden. Erholungsbedürftige Kinder wurden verschickt.

 

Aber es gab auch Schulversäumnisse und Unpünktlichkeit, die nicht mit vorherigen Gründen zu entschuldigen waren, sondern auf eine Verwahrlosung in der Kriegs- und Nachkriegszeit zurückzuführen waren. Polizei und Jugendamt riefen die Schule zur gemeinsamen Bekämpfung der Verwahrlosung der Jugend auf, die sich nach einen Polizeibericht unter anderen in Bandenbildung, Zerstörung von Anlagen, Diebstählen, Bahnfrevel, Bewerfen mit Steinen von Eisenbahnwagen, Autos und Kähnen zeigte.

 

Schulzucht und Verbot der Körperstrafe

 

Zu Beginn des neuen Schuljahres ab 01. September 1946 wurde das Verbot für die  Körperstrafe eingeführt. Unter diesen Umständen musste von Anfang an die Schulzucht die größte Bedeutung beigemessen werden, und in jeder Lehrerkonferenz wurden Ratschläge gegeben und Maßnahmen der Disziplina erörtert mit dem Erfolg, das in der Volksschule I in den ersten Schuljahre nach dem Kriege im ganzen von Einzelheiten abgesehen Ordnung und Zucht herrschten.

 

Im Januar 1946 wurde geraten, ganz von Körperstrafen abzusehen, und besonders vor dem Schlagen an den Kopf gewarnt. Im Februar 1946 wurde durch die Verfügung der Sowjet.-Militär-Administratur und der Provinzial-Verwaltung Sachsen-Anhalt den Lehrern das Schlagen der Kinder untersagt. Auf das Verbot der körperlichen Züchtigung wurde in den folgenden Jahren wiederholt hingewiesen.

 

Übertretungen wurden mit ersten Ermahnungen und schließlich mit sofortiger Entlassung aus dem Amt geahndet.  Überschreitungen dieser Verfügung wurden disziplinarisch oder gerichtlich bestraft, was im einem Falle der Volksschule I vorgekommen ist. Die sofortige Suspendierung vom Amt bis zur verhängten Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehaltes)."

 

(Auszug Schultagebuch Volksschule I)