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Die Angst vor totaler Zerstörung Bernburgs, der Verlauf des 13., 14., 15. April

Der 13., 14. und 15. April waren höchst unruhvolle Tage und Nächte für die Einwohner Bernburgs, die sich zunächst im Luftschutzraum oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhielten.


Der 13., 14. und 15. April waren höchst unruhvolle Tage und Nächte für die Einwohner Bernburgs, die sich zunächst im Luftschutzraum oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhielten. Kleinalarm, Fliegeralarm, Feindalarm, Panzeralarm lösten einander in bunter Folge ab, bis am 15. dauernder Panzeralarm die ständige unmittelbare Nähe der feindlichen Panzer ankündigte. Wilde, unkontrollierbare Gerüchte über herannahende Gegner durchschwirrten die Stadt. Jetzt sollten amerikanische Panzer in Güsten, Rathmannsdorf, Neugattersleben, Hohenerxleben, Staßfurt stehen, jetzt sollten sie bis Peißen, jetzt bis zum Bernburger Flugplatz, jetzt sogar bis nach Waldau vorgedrungen sein. Dazu war Geschützfeuer von allen Seiten, allerdings noch aus weiterer Ferne, zu hören. Was die Unruhe und Sorge aber noch besonders erhöhte, war das Durchfahren unzähliger Lastwagen mit deutschem Militär, das erschöpft und matt sich auf den Wagen drängte und deutlich Spuren der Auflösung zeigte.

 

Lastenfähre bei Großwirschleben versenkt

 

Die Wagen kamen zum größten Teil aus dem Harzraum Nordhausen - Halberstadt, einige auch von Halle her. Die Mehrzahl hatte die 8 km südlich von Bernburg gelegene Lastenfähre bei Großwirschleben zum Saaleübergang genutzt. Wiederholt war dabei die Fähre von amerikanischen Fliegern beschäftigt auf zum Stilllegen gezwungen, aber immer wieder in Stadt gesetzt worden, um die inzwischen angestauten Wagen- und Truppenmengen überzusetzen. In der Nacht vom 13. zum 14. April kam die Fähre zu endgültigem erliegen. Sie wurde vom deutschen Militär wegen des Nachdrängens gegnerischer Panzertruppen versenkt. Doch hieß es auch, sie sei infolge zu starker Belastung, wie der Ausdruck im Fährbetrieb lautete, „abgesoffen“. –

 

Behelfsfähre nördlich von Gröna

 

Als am Morgen des 14. Oberst Hollunder mit seiner noch straff zusammengehaltenen Kampftruppe, Brigade Hollunder genannt, an die Saale gelangte und keine Fähre mehr vorfand, schickte er seinen Adjutanten zu den Bernburger Tiefbauunternehmer Gustav Schulz und ließ ihn um schleunigste Herstellung einer Behelfsfähre gleich nördlich Gröna, an einer besonderen schmalen Stelle der Saale ersuchen. Schulz brachte im Verlauf weniger Stunden unter Verwendung eines 45 Tonnen - Saalebootes die Behelfsfähre fertig, so das bereits mittags die Kampftruppe Hollunder mit ihren 30 zum Teil sehr schweren Lastwagen und etwa 300 Mann Infanterie übergesetzt werden konnte. Hinter ihr folgten am Nachmittag, in der Nacht und während der folgenden Tage und Nächte bis zum 17 April in dichtem Gedränge noch zahlreiche andere Lastautos und Infanterietruppen, die glücklich waren, bei ihrem Zurückweichen aus dem Harzraum noch einen Übergang über die Saale zu finden.

Bei all solcher Unruhe des Augenblicks lastete auf der gesamten Einwohnerschaft Bernburgs die niederdrückende Sorge, das tägliche, ja stündlich die Stadt von den Amerikaner durch Artilleriebeschuss oder durch Bombenabwurf zerstört und überrannt werden konnte, wie es ja ähnlich zahlreichen anderen deutschen Städten im Westen des Reiches ergangen war. Das Panzersperren und Brückensprengungen, sowie die schwachen Infanterietruppen und der waffenlose Volkssturm nichts dagegen würden ausrichten können, war die allgemeine Überzeugung. Zahlreiche Familien, insbesondere solche mit Kindern, zogen deshalb unter Mitnahme des notwendigsten Hausrates in die großen Bunker der Stadt oder in einen nahen Busch oder Steinbruch oder in ein benachbartes Dorf. Manche haben bis zu 8 Tagen und Nächten außerhalb ihrer Wohnung zugebracht, um der Zerstörung und Vernichtung zu entgehen.

 

Angst vor totaler Zerstörung und Vernichtung Bernburgs

 

Das solche Befürchtung und Sorge wohl begründet war, beweist ein Ereignis vom 15. April, das durch den Oberbürgermeister selbst festgestellt wurde. Danach sollten am Nachmittag des 15. April durch ein amerikanisches Rote Kreuz-Auto etwa 20 holländische Arbeiter, die in Bernburg beschäftigt waren, nach dem Bernburger Flugplatz hingebracht werden mit dem ausgesprochenen Zweck, sie vor der für den folgenden Tag, den 16. April, geplanten Beschießungen und Zerstörung der Stadt zu bewahren. Die holländischen Arbeiter hatten sich Tags zuvor hier in Bernburg ordnungsgemäß abgemeldet. Wegen der am 12. und 13. ausgeführten Brückensprengungen hatten sie sich in der Nähe der zerstörten Eisenbahnbrücke am rechten Saalufer versammeln müssen, waren von hier auf bereitgehaltenen Booten nach dem anderen Ufer übergesetzt und in dem amerikanischen Auto nach den Flugplatz befördert.

 

Die Bewahrung der Stadt Bernburg vor der Zerstörung

 

In den der Brückensprengung folgenden Tagen fand der Verfasser die Gelegenheit, sich an Verhandlungen und Geschehnisse zu beteiligen, die schließlich dazu führten, daß Stadt Bernburg, deren Inbesitznahme durch den Gegner unvermeidlich geworden war, wenigstens vor der Verwüstung und Zerstörung bewahrt geblieben ist.

 

In den Meldungen des Rundfunks war ein Nachtrag zum Wehrmachtsbericht des 12. April zu hören. Dieser enthielt eine Anordnung, als deren Unterzeichner genannt waren: der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Generalfeldmarschall Keitel, der SS-Reichsführer Himmler und der Leiter der Parteikanzlei Bormann.


Verkehrsknotenpunkte müssen bis zum äußersten Verteidigt werden

 

Zeitungen erschienen seit dem 12. in Bernburg nicht mehr. Erst drei Wochen später war im „Anhalter Kurier“ der Befehl zu lesen. "OPW-Bericht vom 12. April 1945. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt ferner bekannt: Städte liegen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten, sie müssen daher bis zum äußersten Verteidigt und gehalten werden, ohne Rücksicht auf Versrechen oder Drohungen, die durch Parlamentäre und feindliche Rundfunksendungen überbracht werden.

 

„Alle Städte, die durchweg zugleich wichtige Verkehrsknotenpunkte darstellen, müssen bei feindlichem Angriff bis zum äußersten Verteidigt und unter allen Umständen gehalten werden. Der für jede Stadt ernannte Kampfkommandant haftet mit seinem Kopfe dafür.

Aber auch Militärpersonen und zivile Amtspersonen, die den Kampfkommandanten von seiner Pflicht abzuhalten versuchen, werden zum Tode verurteilt.“ Ausnahmen von dieser Anordnung bestimmt das Oberkommando der Wehrmacht. Für die Befolgung dieses Befehls sind die in jeder Stadt ernannten Kampfkommandanten persönlich verantwortlich. Handeln sie dieser soldatischen Pflicht und Aufgabe zuwider, werden sie, wie alle zivilen Amtspersonen, die den Kampfkommandanten von dieser Pflicht abspenstig zu machen suchen, oder gar ihn bei der Erfüllung seiner Aufgabe behindern, zum Tode verurteilt.

 

Ausnahme von der Verteidigung von Städten bestimmt ausschließlich das Oberkommando der Wehrmacht. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht: gez. Keitel, der Reichsführer der SS: gez. Himmler, der Leiter der Parteikanzlei: gez. Bormann.“


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