Weinkeller bei der Bernburger Wohnstätte gefunden

Welche Schätze der Vergangenheit hüten doch manchmal historische Gebäude. Wir lüften das Geheimnis der Liebknechtstraße 30 und warum die Mitarbeiter – historisch gesehen – auf guten Tropfen sitzen.


Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Oder umgekehrt? Viele, die in den vergangenen Jahren der BWG-Geschäftsstelle einen Besuch abgestattet haben, hatten bestimmt andere Gedanken. Und bestimmt haben nur die wenigsten geahnt, dass sich unlängst im Keller der alten Villa Extraräume für Rot- und Weißwein befanden. Unlängst – das ist die Zeit um 1914. Denn in diesem Jahr geht die Immobilie in den Besitz des Deutschen Reiches und der Armee über.

 

Wer tagsüber ordentlich marschieren üben will, muss das nicht zwingend nüchtern tun. Zumindest gilt das für die höheren Dienstgrade. Denn das ehemalige herrschaftliche Wohnhaus wird zu einem Kasino für die Offiziere der Bernburger Garnison umgebaut und erweitert – mit Weißwein- und Rotweinkeller. Mit Speisesaal, Kleiderablage, Vestibül und natürlich großer Kochküche. Das macht Sinn, immerhin liegt die Immobilie am damals unbebauten Martinsplatz, der zum Exerzieren genutzt wird.

 

Erbauer dieser Villa war der Stadtrat Otto Siegel. Siegel lebte von 1842 bis 1901 und entstammte einer alteingesessenen Gutsbesitzerfamilie. In Erinnerung blieb er vor allem durch seine ehrenamtliche Arbeit als Stadtrat für soziale Belange. Noch heute ist in Bernburg eine Straße in der Nähe des Friedhofs III nach ihm benannt.

 

Da er den Familienbesitz in der Nicolaistraße verkauft hatte, ließ er um das Jahr 1885 einen stattlichen Klinkerbau mit aufwändigem Putz- und Werksteindekor und mit Garten im Stil des Historismus errichten.

Auf diesem Plan kann man die geplante Nutzung der Räume erkennen.
Auf diesem Plan kann man die geplante Nutzung der Räume erkennen.

Nach der Übernahme der Siegelschen Villa durch Reich und Militär wurde das ehemalige Wohnaus zur „Speiseanstalt“ für Offiziere umgebaut. Gut erkennbar sind auch die Lagerräume für Rot- und Weißwein.


Erst private Villa, dann Speiseanstalt mit „Weinkeller“ für Offiziere, später Wohnhaus, jetzt Verwaltungsgebäude: die Siegelsche Villa am Martinsplatz
Erst private Villa, dann Speiseanstalt mit „Weinkeller“ für Offiziere, später Wohnhaus, jetzt Verwaltungsgebäude: die Siegelsche Villa am Martinsplatz
Weiter Blick: Noch vor hundert Jahren war das Areal unterhalb der Martinskirche unbebaut und wurde für Exerzierübungen
Weiter Blick: Noch vor hundert Jahren war das Areal unterhalb der Martinskirche unbebaut und wurde für Exerzierübungen
Schon damals ein Blickfang, aber mit mehr Grünfläche drumherum: die majestätische Martinskirche
Schon damals ein Blickfang, aber mit mehr Grünfläche drumherum: die majestätische Martinskirche
Wo heute Eigenheime stehen, standen vor rund hundert Jahren bewaffnete Soldaten in Erwartung von Exerzierübungen.
Wo heute Eigenheime stehen, standen vor rund hundert Jahren bewaffnete Soldaten in Erwartung von Exerzierübungen.

Im Jahre 1905, vier Jahre nach Siegels Tod, erwirbt Luise König die Immobilie. Ein knappes Jahrzehnt später ist Armee und Reich der neue Eigentümer. Bis 1919 wird das Haus als Speiseanstalt für Offiziere genutzt. Dafür wird es in Richtung des nachbarlichen Pfarrgebäudes erweitert. Nach der Auflösung der kaiserlichen Armee verliert es aber seine Aufgabe.


So wird das Eckgebäude Martin-/Sedanstraße ab den 1920er Jahren als Zollamt des Deutsche Reiches genutzt. Gleichzeitig befindet sich hier eine Zollbeamten-Dienstwohnung. Nach zwei Jahrzehnten wird Deutschland wieder von einem Krieg heimgesucht. Danach, im Jahre 1945, nutzt Bernburg die Villa als Wohnhaus für Familien.


Der nächste Benutzerwechsel erfolgt 1994. Nach umfangreicher Sanierung wird das Haus Verwaltungsgebäude der Bernburger Wohnstättengesellschaft mbH, der Nachfolgerin des „VEB Gebäudewirtschaft“.

Außerdem: Die Angestellten arbeiten nicht nur auf ehemaligen Weinkellern, sondern auch in einem Denkmal. Denn 1993 wird die Liebknechtstraße 30 als Einzeldenkmal in die Landesliste LSA in der Stadt Bernburg (Saale) eingetragen. Darauf kann man doch getrost mit einem Gläschen Roten oder Weißen anstoßen.

 

Nach der Übernahme der Siegelschen Villa durch Reich und Militär wurde das ehemalige Wohnaus zur „Speiseanstalt“ für Offiziere umgebaut. Auf diesem Plan kann man die geplante Nutzung der Räume erkennen. Gut erkennbar sind auch die Lagerräume für Rot- und Weißwein.

 


Materialzusammenstellung: Uwe Hey,
Fotos und Reproduktionen: Sammlung Badzinski
Text: Michael Wittrisch, Werbeagentur Studio G



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