Wurst aus Bernburg ging nicht nur in die HO, sondern auch in die Ostseebäder zur Urlauberversorgung, selbst staatliche Auszeichnungen auf der „Messe der Meister für morgen“ erhielt der Fleischwarenbetrieb.
Die Entwicklung des Fleischwarenbetriebes - Reminald Tornow, Bernburg, Thomas-Müntzer-Straße 2a
1946 hat der Vater des Reminald Tornow, Herbert Tornow in Bernburg, Breite Straße 7 eine Fleischerei eröffnet.
1949 Gründung einer OHG (H.Tornow & Sohn) Gesellschafter: Herbert Tornow, Fleischermeister Reminald Tornow, Fleischergeselle Bernburg, Breite Straße 7
1954 Nach Kauf des Grundstücks Thomas-Müntzer-Straße 2a (ehemalige Kristallschleiferei) gründet Reminald Tornow einen eigenen Fleischverarbeitungsbetrieb (Handwerksbetrieb). Es mussten umfangreiche Um- und Ausbauten vorgenommen werden (z.B. Bau von mehreren Kühl- bzw. Tiefkühlräumen, Kesselhaus mit moderner Kochkesselanlage, Sanitär- und Belegschaftsräume. Das damalige „Gesetz zur Förderung des Handwerks“ beinhaltete u.a. aber auch eine Begrenzung der Beschäftigtenzahl: 10 Arbeitskräfte (+ 8 Schwerbeschädigte, die nicht zählten). Diese schwerbeschädigten Mitarbeiter wurden in der Versandabteilung der Wurstkonserven eingesetzt (etikettieren, verpacken – alles von Hand).
Die Produktion dieses Handwerksbetriebes bestand aus:
1. Herstellung von Fleisch- und Wurstkonserven unter schwierigsten Bedingungen
(2 alte Autoklaven wurden generalüberholt); alte Verschlussmaschine, teilweise Einsatz von Gebrauchtgläsern, die von Hand gereinigt werden mussten:
- Bockwurst im Glas (5 und 20 Stück je Glas)
- Brühpolnische im Glas
- H. Rotwurst im 0,3 cl Glas
- H. Leberwurst im 0,3 cl Glas
- H. Sülzwurstim 0,3 cl Glas
- R.u. S. Gulasch im 0,3 cl Glas
- Griebenschmalz im 0,3 cl Glas
- Schmalzfleisch im 0,3 cl Glas
2. Roh- und Dauerwurstherstellung
- Salami
- H. Knackwurst im Kranzdarm
- Knoblauchrohwurst im Kranzdarm
- Schinkenbratwurst im Kranzdarm
- Braunschweiger Mettwurst grob
Abnehmer waren die Großhandelsgesellschaften Halle, Köthen und die Ostseebäder zur Urlauberversorgung
Da der Handwerksbetrieb eine stürmische Entwicklung nahm, musste die Belegschaftsstärke vergrößert werden. Das scheiterte einmal am so genannten „Arbeitskräfteplan“ zum andern wurden dringend neue Maschinen benötigt („nur auf Freigabe“).
Der weitere Ausbau (Modernisierung) des Betriebes (so genannte „Bauanteil“ wurden von staatlichen Stellen vergeben) und die Beschaffung von Hilfsstoffen und Materialien waren zu damaliger Zeit eine nervenaufreibende Tätigkeit für den Chef. Dieser hatte „nebenbei“ noch seine Meisterprüfung im Fleischerhandwerk abgelegt sowie seine Kaufmännische Prüfung gemeinsam mit seiner Frau Ursula Tornow.
Inzwischen wurde die Genehmigung zur Herstellung von Konserven entzogen, da moderne Konservenfabriken die Produktion übernommen hatten.Die weitere Existenz in dieser Größe war als Verarbeitungsbetrieb nur möglich, bei Aufnahme der staatlichen Beteiligung. Finanziell war der Betrieb gesund, die finanzielle Beteiligung des Staates war für diesen Schritt nicht ausschlaggebend.
1958 Am 01.04.1958 wurde der Betrieb „Remonald Tornow KG mit Staatlicher Beteiligung gegründet. Die Belegschaft der Fleischerei Herbert Tornow, Breite Straße wurde übernommen, so dass der Betrieb nun ca. 28 Beschäftigte zählte. Herr Herbert Tornow wurde Versandleiter (brutto 700 Mark), Herr Reminald Tornow Komplementär, persönlich haftender Gesellschafter (900 Mark brutto!) 2 Jahre Sonderstudium für Komplementäre an der Universität Leipzig.
Die weitere Entwicklung war dann vorprogrammiert. Die Produktion hatte sich verdoppelt. Es wurde das volle Sortiment an Fleisch, Fleisch- und Wurstwaren hergestellt und an HO, KG und weitere Handelsbetriebe geliefert (kein eigenes Ladengeschäft): HO Halle, HO Bernburg, KG Köthen, HO Saalekreis, HO Aschersleben, Feinkost Halle). Bei guter Qualität erreichte der Betrieb von 1960 bis 1975 eine überdurchschnittliche Arbeitsproduktivität im Vergleich zu volkseigenen Betrieben.
Mit ca. 50 Beschäftigten wurde eine Auslieferung von 1800 to pro Jahr erreicht. Der Betrieb und die Mitarbeiter erhielten viele staatliche Auszeichnungen. Unter anderem wurden bei der Teilnahme an der „Messe der Meister für morgen“ unter der Regie des Betriebsleiters Reminald Tornow Neuentwicklungen an Wurstwaren vorgestellt wie:
- Deutsche Tropenwurst Salami „Wiener Art“
- Party-Wurst (aus Lammfleisch)
- Französischer Nussschinken u.a.m.
1972 Übernahme des Betriebes in „Volkseigentum“ ENTEIGNUNG wie 28 000 Betriebe in der ehemaligen DDR
1971/ 72: als VEB (K) Fleischwarenbetrieb Bernburg bis1978 war Reminald Tornow staatlicher Leiter. Er schied im November 1978 auf eigenen Wunsch aus dem Betrieb aus, da eine weitere Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen auf Kreisebene (Vorsitzender des Rates des Kreises) nicht mehr möglich war; er akzeptierte nicht alle „Befehle von oben“. („Wer nicht das macht, was wir wollen, von dem trennen wir uns!“)
1989 Nach der Wende im Herbst 1989 ist die Produktion aus den allgemein bekannten Gründen zurückgegangen. Es wurden 4 Geschäfte in Bernburg und 1 Geschäft in Nienburg eröffnet sowie ein Verkaufswagen. Die Verwaltung des Betriebes liegt seit einigen Jahren in den Händen des Dessauer Schlachtbetriebes. Gerald Tornow ist der Sohn des 1986 verstorbenen Reminald Tornow. Er hat nach dem Abitur (1972), wie eigentlich vorgesehen war, eine Tätigkeit im ehemaligen elterlichen Betrieb nicht aufgenommen, da nach der Enteignung keine berufliche Perspektive voraussehbar war.
1990 Antrag auf Privatisierung des Betriebes
1992 Rückübertragung nur des Grundstücks an Gerald Tornow
Die Firma ist durch die aus den Medien bekannten kriminellen Machenschaften bei der Treuhandanstalt bis heute verschwunden. Die Verantwortlichen der Treuhandanstalt Halle sind zu über 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden. An einer Aufklärung war keiner interessiert. Gerald Tornow konnte den über 20 jährigen Kampf um das elterliche Grundstück nicht gewinnen. Er hat das Grundstück Anfang 2021 an die Bernburger Wohnstätten GmbH verkauft.
Text: Reminald Tornow
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