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Der Bombengroßangriff auf Bernburg am 11. April

Die amerikanischen Flieger hatten auf ihren zahlreichen Flügen nach Berlin, Magdeburg, Dessau, Halle, Leipzig, von denen wohl die Mehrzahl über Bernburg hinzog, die Stadt Bernburg in auffallender Bevorzugung mit Bombenangriffen verschont.


Die amerikanischen Flieger hatten während der ersten 5 Kriegsjahre die Stadt Bernburg in auffallender Bevorzugung mit Bombenangriffen verschont. Auf ihren zahlreichen Flügen nach Berlin, Magdeburg, Dessau, Halle, Leipzig, von denen wohl die Mehrzahl über Bernburg hinzog, waren im 5. Kriegsjahr 1944 nur 4 mal einige wenige Bomben, mehr wie durch Zufall, auf die Stadt selbst niedergefallen und hatten hier nur geringen Sachschaden mit insgesamt 4 Todesopfern verursacht.

 

Weitere vier Angriffe erfolgten im Jahr 1944 noch auf den Bernburger Flugplatz, der zwar zum Stadtbezirk Bernburg gehört, aber doch weit außerhalb der bebauten Stadtlage, mehr in der Nähe von Neugattersleben gelegen ist. Bei diesen Angriffen, deren Ziel die auf dem Flugplatz liegenden Flugzeugfabriken der Junkerwerke waren, wurden Wohnviertel der Stadt Bernburg nur in ganz geringem Umfang berührt. Der Sachschaden an den Junkerwerken war jedes Mal erheblich. Beim ersten Angriff vom 20.02.44 betrug die Zahl der Toten 17, der verletzten 48. Bei den weiteren 3 Angriffen vom 12.4., 29.6., 7.7. wurden insgesamt 7 Tote und 11 Verletzte gezählt.

 

Der Angriff vom 11. April 1945 aber war ein die Stadt selbst treffender Bombengroßangriff, der erste derartige den die Stadt erlitten hatte.

 

Der Anflug der amerikanischen Maschinen erfolgte westlich von Bernburg, in Richtung nach Süden, schwenkte im Süden von Bernburg ostwärts um und drehte dann zur endgültigen Angriffsrichtung Süd - Nord längs der Eisenbahn Köthen-Bernburg ein. Der Angriff erfolgte in zwei getrennten Wellen um 10,20 und um 11,40 Uhr. Der Bombenabwurf geschah aus einer Flughöhe von etwa 2500 m.

 

Die befolgende von den Deutschen Solvay-Werken aufgenommene und dann vom Stadtbauamt verkleinerte Kartenskizze macht es offensichtlich, das das Ziel des Angriffs der Güterbahnhof Bernburg mit seinen zahlreichen Gleisen und Baulichkeiten zwischen der Eisenbahn - Fußgängerbrücke in der Parkstraße und dem Empfangsgebäude des Bahnhofs war.

 

Mit dem Angriff auf den Bahnhof Bernburg verfolgte der Gegner anscheinend in erster Linie den Zweck, den begonnenen militärischen Aufmarsch deutscher Truppen in Richtung auf den Harz zu stören. Zu demselben Zweck wurden gleichzeitig auch die Bahnhöfe Aschersleben und Köthen lahmgelegt.

 

Außer dem Bahnhof Bernburg freilich wurde auch umfangreiches Nebengelände mit zahlreichen Wohngebäuden und mehreren Industrie Anlagen sowie der Friedhof II schwer getroffen und beschädigt.

 

Endlich wurden auch auf ein kleines Geländestück, das auf dem jenseitigen Saaleufer in der Aue, etwa 300 m nördlich von der von der Saale und rd. 400 m östlich von der Eisenbahn gelegen ist, Bomben, in größerer Menge zusammengedrängt, abgeworfen. man hatte beobachtet, das von beiden Wellen gerade deren hinterste Maschinentruppe auf diese enge Stelle ihre bomben niederwarf. Es war nicht ausgeschlossen, das diese Bomben die Eisenbahnbrücke sprengen sollte, jedoch, durch starken Südostwind abgedrängt, ihr Ziel verfehlten, wobei es nur auffallen musste, das zwei getrennte Maschinengruppen dasselbe kleine Geländestück am alterdichtesten mit Bomben belegten: 29 Trichter wurden hier gezählt, d.h. auf den Hektar gerechnet 56.

 

Die Dichtigkeit der Bombenabwürfe mit Trichterbildung, ebenfalls auf den Hektar umgerechnet, betrug für die Hegebreite und Teile des Bahnhofs 22, die Baulichkeiten in der Stadt 14 bis 17, für den Friedhof und teile des Bahnhofs 9 bis 12 Trichter.

 

Es wurden durchweg nur Sprengbomben, keine Brandbomben abgeworfen. Der erste Teilangriff (10,20 Uhr) erfolgte in 6 Pulke zu je 6 Maschinen. Wenn wir annehmen, das jede Maschine 6 Bomben abwarf, sind im ganzen (* 6 * 6 ) + (7 * 6 * 6) = 216 + 252 = 468 Bomben abgeworfen. An Trichtern wurden im ganzen 306 gezählt.

Die Zerstörung des Güterbahnhofs

 

In der Höhe von Martin- bis Neue Straße wurden sämtliche Haupt- und Nebengeleise zerstört, und insbesondere auch das Bahnbetriebswerk mit seine Lokomotiven, Werkstätten, der wichtigen Drehscheibe, der Wasserversorgung und der Bekohlung restlos außer Betrieb gesetzt. Etwa 50 Güter- und Personenwagen wurden total zerstört. 180 Güterwagen brannten aus oder wurden schwer beschädigt. Von der Gewalt der Sprengung zeugt ein noch 10 Wochen nach dem Angriff in der Bahnhofstraße liegender Teil des Untergestells eines Güterwagens: eine Achse mit Federn und Rädern, die von einem auf den Eisenbahngeleise stehenden Güterwagen unter gewaltigem Luftdruck losgerissen und durch die Lücke zwischen zwei Wohnhäusern auf die Bahnhofstrasse geworfen wurde. Die Entfernung vom nächsten Eisenbahngeleise betrug 8 m Länge in einer Entfernung von etwa 200 m Eisenbahndamm. –Der Sachschaden einschließlich des in den nächsten Tagen durch Plünderung entstandenen Schadens wird auf mindestens eine Millionen Reichsmark geschätzt.

 

 

Zerstörung des Friedhof II

 

Der Friedhof II bot ein Bild grauenhafter Zerstörung. Wenn er in der Kartenskizze und in obiger Schätzung der Trichter-Dichtigkeit an letzter, mithin günstigster Stelle steht, so rührt dieser scheinbare Widerspruch daher, das der Friedhof, bei Ausstellung der Skizze und der Berechnung, in seinem in seinem Umfang als einheitliches Ganzes zugrunde gelegt war, während die Dichtigkeit der Trichter innerhalb seiner Grenzen außerordentlich verschieden war. So war einzelne Teile, die immerhin noch eine beträchtliche Ausdehnung hatten, vielleicht waren es zwei von einander getrennte Fünftel -, derart mit Trichtern besetzt, das diese beiden Fünftel, als selbständige Geländestücke betrachtet, in eine höhere, ja selbst in die höchste Klasse der Dichtigkeit gehören würden.

 

Der Friedhof wurde 10,20 Uhr von der ersten Welle und 11,40 Uhr von der etwa 300 m weiter östlich anfliegenden zweiten Welle aufs schwerste getroffen. Als der doppelte Orkan vorüber gebraust war, stand zwar noch die Kapelle, - nur die Fenster und das Dach waren leicht beschädigt -, aber unmittelbar nördlich von ihr begann die Hölle ihr fürchterliches Bild zu zeigen. Man erlasse mir eine genauere Schilderung. Ich vermöchte kein der Wirklichkeit einigermaßen entsprechendes Bild zu zeichnen, wenngleich ich die einstige Stätte des Friedens, die jetzt zur Hölle geworden war, oft genug durchwandert oder besser: durchklettert habe. Die Zahl der durch solche Trichter zerstörten Gräber, Grabgitter, Grabsteine, Grabmonumente lässt sich nicht angeben oder schätzen.

(von Dr. jur. Ernst Eilsberger)

 

 


Die Zerstörung von Baulichkeiten in der Stadt

 

Total zerstört wurde die Sachs. Anh. Armaturenfabrik Parkstr. 16 die Gärtnerei H. Henß, Parkstraße 15 und die Eisenwarenhandlung Max Stamm, Hegestr. 16, sowie 27 Wohnhäuser an der Bahnhofstr., den Martinsplatz, der Hegestr. und der Hegebreite- schwerbeschädigt wurden die Maschinenfabrik W. Siedersleben u. Cie., Parkstr. 11, der Holzplatz Wohlhaupt, Parkstr. 14 und der Holzplatz Fischer in der Hegestr. sowie 22 Wohnhäuser in den vorgenannten Straßen. dazu traten in den gleichen Straßen als mittelschwer beschädigt 2 Industrie-Anlagen und 35 Wohnhäuser, als leicht beschädigt 456 Wohnhäuser in den verschiedensten Stadtgegenden.

 

An Toten, einschließlich derer, die an einer schweren Verletzung in den nächsten Tagen dem Angriff verstorben waren, wurden in ganzen 84 gezählt, an Verwundeten 25, an Vermissten 9. Männer und Frauen des Roten Kreuzes und die Technische Nothilfe waren ganze tage und Nächte, ungeachtet der unaufhörlichen Alarme und der mehrfachen Brückensprengungen, ja noch selbst während der Kampfhandlungen des 16. April an den Unglücksstätten beschäftigt, um die Toten zu bergen und die Verwundeten zu retten, und nach den Rettungsstellen und Hilfskrankenhäuser zu weiterer Pflege zu schaffen.

 

An den zerstörten Gebäuden mit ihren toten, Verwundeten und vermissten konnte die Bernburger Bevölkerung zum ersten Mal die Auswirkungen eines Bombenangriffes erleben, wie sie fast alle Städte Deutschlands in den vorauf gegangenen Kriegsjahren mit Schrecken erfahren hatten. Dabei hatten die Bernburger noch allen Grund, sich glücklich zu schätzen, das der ihrer Stadt zugefügte Schaden im Vergleich mit dem anderer Städte als verhältnismäßig sehr gering zu bezeichnen war. Der Bombenangriff mit den nachfolgenden Fliegeralarmen vermehrte die allgemeinen Befürchtungen, das solche Maßnahmen die Einleitung zu weiteren Kampfhandlungen des Gegners vielleicht gar zum endgültigen allgemeinen Großangriff au Bernburg bilden sollte.

 

Die Vorbereitungern für die Brückensprengungen

 

Gleich am frühen Nachmittag des 11. April erließen der Kampfkommandant und der Kreisleiter erneute Befehle an den Volkssturm, die arbeiten an den Panzersperren zu beschleunigen und in 24 Stunden zum Abschluss zu bringen. Vor allem aber rückte jetzt die alles beherrschende Frage der Brückensprengung in den Vordergrund. Die Frage schien allerdings für den Kampfkommandanten und den Kreisleiter, anscheinend auf Grund eines Befehls des Gauleiters, bereits dahin gelöst, das die Sprengung aller drei Sallebrücken aus allgemeinen militärischen Gründen notwendig sei und baldmöglichst ausgeführt werden müsse. Befehl war Befehl, und es dürfte feststehen: hätte der Kreisleiter sprengkundige Männer und den nötigen Sprengstoff selbst zur Hand gehabt, so würde er unverzüglich alle drei Brücken haben sprengen lassen. Jetzt aber musste er sich erst bei der Stadt und bei der Bernburger Industrie nach Personal und Material zur Sprengung umtun.

Zunächst hielt er es für angezeigt, sich dieserhalb an den Oberbürgermeister zu wenden. Der Kreisleiter machte einleitend die Mitteilung, daß die Sprengung aller drei Saalebrücken der Stadt Bernburg erfolgen müsse. Er habe die Anweisung des Gauleiters erhalten, das die drei Brücken am nächsten Morgen, den, 12. April, früh 6 Uhr sprengbereit sein sollen.

 

Er, der Kreisleiter, habe für die Sprengung der Eisenbahn- und der Annenbrücke Direktor Kerstein von den Deutschen Solvay-Werken bestimmt, die Sprengung der SA-Brücke solle von Seiten der Stadt durch den Bauarchitekten Alsleben durch geführt werden. – Hier unterbrach der Oberbürgermeister: „Erlauben Sie, mir ist nicht bekannt, das Herr Alsleben ihnen untersteht. Ich habe allein über ihn zu verfügen, und er wird die Sprengung nicht ausführen. Im übrigen muß ich gegen jede Brückensprengung, auch der Eisenbahn- und Annenbrücke namens der Stadt der Stadt Bernburg schärfsten Einspruch erheben. Die Folgen wären für die Stadt untragbar.

 

Der Außenverkehr und auch die Schifffahrt wären für lange zeit stillgelegt. Die Verbindung zwischen Bergstadt und Talstadt wäre außerordentlich erschwert. Sämtliche Leistungen für die Versorgung der Stadt mit Wasser, Gas und Strom würden zerstört sein, so das ein unerträglicher Zustand für die Stadt eintreten müsste, der von mir als Oberbürgermeister wegen seiner katastrophalen Auswirkungen auf keinen Fall verantwortet werden kann. Es folgten nun während des ganzen Abends bis spät in die Nacht hinein ernste Besprechungen des Oberbürgermeisters mit Bürgern der Stadt, die alle damit endeten, das ein Brückensprengung für die Stadt ein untragbares Unglück bedeuten würden, und das alles getan werden müsse, um eine solche Katastrophe von der Stadt abzuwenden. Bei diesen Besprechungen fand der Oberbürgermeister einen energischen Helfer in Direktor Bökelmann, dem tatkräftigen Feldführer des DRK.-

 

Gegen Mitternacht des 11/12. April trat wieder der Kreisleiter in Aktion. Der allein verantwortliche Kampfkommandant schien alles in dieser für die Stadt lebenswichtigen Fragen dem Kreisleiter überlassen zu haben. Dieser wandte sich um 23.30 Uhr fernmündlich an Direktor Kerstein von den DSW. Und forderte ihn in befehlendem Ton auf, die SA-Brücke, die Annenbrücke und die Eisenbahnbrücke bis 6 Uhr früh fertig zu machen. Direktor Kerstein erkundigte sich noch in der Nacht bei dem Stadtarchitekten Alsleben nach der Konstruktion der Brücken und hörte von ihm, das ihm die Lage der Kammern nicht bekannt sei. Gleich nach Mitternacht ging Direktor Kerstein nochmals zum Kreisleiter, um ihm solches mitzuteilen. Als er ihm ferner sagte, das keine hochbrisanten Sprengstoffe vorhanden seien, fiel die Äußerung des Kreisleiters: „Ach was, Sprengstoff bleibt Sprengstoff, und die Brücken fliegen auch ohne Sprengkammern in die Luft.“

 

„In der allgemeinen Besprechung wurde der Kreisleiter auf die Folgen einer etwaigen Sprengung aufmerksam gemacht. Alle anwesenden Herren – mit Ausnahme des Stabsleiters Knabe und des Oberstleutnant Schnitter – wiesen auf die schweren Folgen hin, die durch das zerstören der Hauptgasleitung, der Hauptwasserleitung, des Fernsprechkabels (das von Leipzig nach Würzburg führt und als 600-adriges Kabel unter der SA-Brücke liegt) und der Fernsprechleitung der obersten Heeresleitung diesseits und jenseits der Elbe entstehen würden, sowie auf die Schwierigkeiten der Lebensmittelzuführung. Alle diese Einwände schlug der Kreisleiter in den Wind und betonte immer wieder, das er die Anweisung des Gauleiters zu befolgen hätte. Die Brückenzeichnungen wurden nochmals durchgesehen, und es wurde dabei festgestellt, das in den Zeichnungen keinerlei Vermerke über das Vorhandensein von Sprengkammern waren. Gegen 3 Uhr teilte das Bataillon mit, das ein Sprengkommando mit Sprengstoff in Marsch gesetzt sei, das gegen 7 Uhr in Bernburg eintreffen würde. Auf bitten des Kreisleiters gab ich meine Einwilligung, das Kommando bei seinem Eintreffen in Empfang zu nehmen und einzuweisen.


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