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Der Schulunterricht zwischen Fliegeralarm und Luftschutzbunker

Vielerlei Kriegseinwirkungen - Lehrerknappheit in Folge der Einziehungen in den Heeresdienst, Raum- und Rohstoffmangel, Luftalarm und Belastung der Schule mit schulfremden Aufgaben führten, je länger, je mehr zu einer großen Beeinträchtigung des Unterrichts und zu einer Verminderung der Leistungen.


Der zweite Weltkrieg brachte größere Störungen des Schulbetriebes mit sich. Vielerlei Kriegseinwirkungen - Lehrerknappheit in Folge der Einziehungen in den Heeresdienst, Raum- und Rohstoffmangel, Luftalarm und Belastung der Schule mit schulfremden Aufgaben führten, je länger, je mehr zu einer großen Beeinträchtigung des Unterrichts und zu einer Verminderung der Leistungen. Daran konnte auch die Forderung des Regierungsrates Schulze vom 27.12.1939, "das kein Absinken der Schulleistungen mehr statthaft sei", nichts ändern.

 

Immer mehr wurden die Kinder für schulfremde Leistungen beansprucht, zur Feldarbeit zu Altstoffsammlungen, Maisanbau, Geldsammlungen für das Kameradschaftsopfer des Vereins für die Auslandsdeutschen, zur Ablieferung von abgelegten Schuh, zur Kleider- und Schulbüchersammlungen für die sogenannte Ostmark. Auch das Filmgerät der Schulen wurde angeblich für die Ukraine eingezogen.

Die Ereignisse der letzten Kriegstage zwischen 13. und 16. April

 

Aus dem Wehrmachtsbericht des Oberkommando der Wehrmacht vom 12. April im Rathaus Bernburg geht die fragliche Dreimänner-Anordnung vor. Der Oberbürgermeister der Stadt sollte diese unterzeichnen: „Ich kann den Entwurf nicht unterzeichnen!“ Ich bin genötigt, den Brief durch die Hand des Gauleiters Jordan, als den Reichsverteidigungskommissar, weiterzureichen, und dieser zerreißt mir sicher den Antrag und wirft ihn in den Papierkorb. Dann will ich zum Kampfkommandanten gehen und ihn um Unterzeichnung und Weitergabe bitten. Ich fürchte, Sie werden auch bei ihm nichts erreichen. Er ist ganz neu in der Sache und hat jetzt gerade den Kampf in der Halleschen Straße zu leiten. Er wird nicht zu sprechen sein. Ich bitte Sie, mich bei ihm telefonisch anzumelden. Für ein paar Minuten wird er die Kampfleitung seinem Adjutanten überlassen können.“ Der Oberbürgermeister sucht Verbindung, meldet mich an und erhält zusagende Antwort.


Die Schülerzahl stieg infolge der Evakuierungen aus den Großstädten 1942 auf 1.050 Schüler, aber die Zahl der Lehrer in der Volksschule I verringerte sich ständig, immer mehr wurden eingezogen oder nach Landorten abgeordnet. Man behalf sich mit Laienlehrern und - Lehrerinnen. Immer mehr Schulgebäude wurden für militärische Zwecke beschlagnahmt.

 

Seit Herbst 1941 wurde eine 3. Volksschule in der Volksschule I untergebracht, sodass eine Schule vormittags, die andere nachmittags Unterricht hatte. Die Unterrichtsstunden wurden auf 40 Minuten verkürzt. 1944 wurde das Gebäude der Volksschule I schließlich Lazarett. Am 27.11.1944 war das Kollegium auf 12 Lehrkräfte zusammen geschrumpft, die in 5 verschiedenen Lokalen unterrichteten.

 

Am 09.01.1945 standen der Volksschule I im ganzen noch 8 Räume in verschiedenen Gebäuden, (im Stadthaus, in der Handelsschule, im Gasthof Schmidts Ausspann) zur Verfügung. Die Klassen sollten nach dem letzten Plan in der Regel 12 Wochenstunden haben. Aber infolge der immer häufiger werdenden Luftalarme wurde nicht viel daraus. Nach langen nächtlichen Alarmen begann der Unterricht später. Häufig mussten währen der Schulzeit die Luftschutzkeller aufgesucht werden, zuletzt in der Schlossbrauerei in der langen Straße.

Im Haus der Kreisleitung Sedanplatz 8 ist Oberst Hollunder, mehrere uniformierte Mitglieder des Stabes des Kreisleiters versammeln sich. Der Kampfkommandanten erhält den Antrag und erwidert: „Ich kann den Brief nicht unterzeichnen“. Weshalb denn nicht, Herr Oberst?“ Weil ich als Kampfkommandant den Befehl habe, die Stadt zu halten. Ein anderer möge den Antrag unterzeichnen. Weshalb nicht sie selbst, als Ehrenbürger der Stadt Bernburg?“ „Wenn weder sie als Kampfkommandant noch der Herr Oberbürgermeister den Antrag unterzeichnen – gut, so will ich es als Ehrenbürger der Stadt Bernburg tun.“ Tun sie es, ich würde mich herzlich freuen, wenn ihr Antrag Erfolg hat.“

 

Das Oberkommando der Wehrmacht - Die Stadt ist zu halten

 

Mit einen Antrag auf Ausnahmebewilligung vom Verteidigungsbefehl ist der Oberbürgermeister einverstanden. Soweit die Nachrichten des Deutschen Rundfunks sowie eigene Ermittlungen und Beobachtungen ein Urteil für mich zulassen, dürfte sich die Kriegslage im Dreieck Magdeburg-Halle-Dessau, auf dessen Saalebasis in der Mitte Bernburg liegt, in den letzten 3 Tagen wesentlich geändert haben.


Der Feind ist nördlich von Bernburg im Südosten von Magdeburg bei Barby über die Elbe, und südlich von Bernburg im Nordosten von Halle bei Könnern über die Saale stärkeren Kolonnen gegangen und ostwärts bzw. nordwärts weitergerückt: Dadurch ist Bernburg im Norden und Süden vom Feinde überrollt, vielleicht bereits nach Vereinigung beider Kolonnen von allen Seiten eingeschlossen. Wenn so lange nach mir gewordener Mitteilung die Saalefront verteidigt werden sollte – aus welchem Grunde bereits die Saalebrücken in Bernburg gesprengt und zahlreiche Straßensperren errichtet worden sind -, so möchte mir augenblicklich eine Verteidigung der Saalefront allein bei Bernburg unnötig und überflüssig erscheinen. Selbst ein Zeitgewinn und eine Fesselung von feindlichen Kräften zwecks Vorbereitung und Verstärkung deutschen Wiederstanden kann nach meinem Dafürhalten durch die Verteidigung von Bernburg nicht geschaffen werden.

 

Bernburg wird zur Lazarettstadt erklärt

 

Das Ergebnis der zwecklosen Verteidigung wäre lediglich die mit größten Schäden und Menschenverlusten verbundene Zerstörung der Stadt, zu deren Errettung ich mich als Ehrenbürger der Stadt Bernburg berufen fühle, sofern nicht ein dringendes militärisches Interesse vorgehen sollte, worüber allein dem Oberkommando der Wehrmacht das Urteil zusteht.

 

In der Stadt Bernburg, die vor dem Kriege rd. 45.000 Einwohner zählte, sind im Laufe des Krieges rd. 40.000 Evakuierte, hauptsächlich Frauen und Kinder, untergebracht und über 20 Lazarette mit 4.000 verwundeten Soldaten angefüllt worden. Eine andersweite Unterbringung der Evakuierten und Verwundeten war bisher unmöglich und ist heute völlig ausgeschlossen. Die große Zahl der verwundeten Soldaten in Bernburg dürfte es im übrigen wohl rechtfertigen, daß Bernburg ähnlich wie andere Städte zur Lazarettstadt erklärt wird.

Am 15. April war Bernburg von allen Seiten eingeschlossen

 

Der Befehl hat viel Männer, und gerade die Besten in den erzwungenen Freitod – hier ist auch das Wort „Selbstmord am Platze – getrieben und vielen Städten im Reich völlig unnütze Verwüstung und Zerstörung gebracht. Die Gegner waren inzwischen von Westen immer näher aufrückt und am 14. mit seinen Panzerspitzen bereits in die Linie Rathmannsdorf – Neugattersleben - Hohenerxleben vorgestoßen. Am 15. konnte man feststellen, das die Stadt Bernburg von allen Seiten eingeschlossen war. Ein grade eintreffender Bote brachte die Meldung, das amerikanische Panzer bereits auf dem Flugplatz der Junkers-Werke bei Neugattersleben ständen. von anderer Seite kam die Nachricht, das Waldau besetzt sei und das die Amerikaner auf Peißen zu vorrückten. Ein Gang am Nachmittag durch die Straßen der Stadt zeigte mir, das die Straßensperren fast durchweg fertig gestellt, aber noch offen waren, und das nur bei einigen wenigen noch Volkssturm Leute arbeiteten. Von Truppen und Waffen konnte ich so gut wie nichts bemerken nur auf dem alten Gottesacker und dem hohen Saaleufer fand ich einzelne Uniformierte, zumeist von der H.J., in Schützenlöcher sitzen, mit einem Gewehr in der Hand, das auf die Saale und die zerstörten Brücken gerichtet war, als ob der Gegner über die Reste der zerstörten Brücken oder auf Pontons die Saale überschreiten wollte.

 

Lagebesprechung am 15. April in der Kreisleitung

 

Am 15. April ließ der neue Kampfkommandant durch Oberstleutnant Schnitter den Oberbürgermeister Eggert telefonisch zu einer grundlegenden Lagebesprechung nach der Kreisleitung zu Mittag 12 Uhr bitten. Es waren anwesend außer Oberst Hollunder und Oberstleutnant Schnitter der Kreisleiter Himmerich und verschiedene Mitglieder seines Kreisstabe (Litte, Knabe, Schulz, Ziems, Kühne, Dittmann und der Bannführer Wentzlau). Oberst Hollunder stellte sich als Kampfkommandant vor, schilderte die Lage und bat um vertrauensvolle Zusammenarbeit. Der Oberbürgermeister richtete an den Kampfkommandanten die Bitte, das alle Maßnahmen vermieden würden, welche die Stadt gefährdeten. Als Beispiel einer durchaus falschen und für die Stadt sehr schädlichen Anordnung bezeichnete er die Brückensprengung.


Dabei fiel ihm der Kreisleiter sofort mit Widerspruch ins Wort, indem er behauptete, daß die Sprengung nötig gewesen sei. Es entstand ein scharfer Wortwechsel, in dessen Verlauf der Oberbürgermeister die Brückensprengung als „Verbrechen“ und die Durchführung als „Beweis völliger Unfähigkeit“ bezeichnete. Er lehnte es ab, sich mit dem Kreisleiter zu unterhalten, der durch die anderweitige Unterbringung seiner Familie usw. feige und unehrenhaft gehandelt habe.

 

Nach diesen scharfen Zusammenstoß klärte der Oberbürgermeister den neuen Kampfkommandanten über die schweren Differenzen zwischen ihm und den Kreisleiter auf und betonte die Unmöglichkeit jeder Zusammenarbeit seinerseits mit dem Kreisleiter. Dagegen sei er selbstverständlich zum Wohle der Stadt und der Einwohnerschaft zu vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Oberst Hollunder bereit, den er im Namen der Stadt begrüße.

Er bat gleichzeitig um Beseitigung einiger Panzersperren, die, entgegen den Bestimmungen, in der Nähe von Lazaretten und einem Hilfskrankenhaus vom Kreisleiter angeordnet seien. Außerdem bat er um Rücksichtnahme auf die Lazarette und die Einwohnerschaft bei der leider nun mal angeordneten Verteidigung, die ihm erfolglos und nur schädlich erschiene. Oberst Hollunder sagte Prüfung und Berücksichtigung zu. Dementsprechend wurde dann auch die Sperre am Kurhaus-Lazarett unbesetzt gelassen.

 

Ich rufe den Oberbürgermeister an, und wir einigen uns auf meinen Besuch um 8 ½ Uhr. Zu genannter Zeit bin ich in Begleitung meines Sohnes bei ihm im Rathaus. Er bestätigt mir, das im Südosten der Stadt an der Halleschen Chaussee bei den Fabriken von Sommer und Weigel gekämpft wird. Der neue Kampfkommandant sehe indes die Schießerei noch nicht als ernst an und verfolge die Plänkeleien vorläufig noch von seinem Befehlsstand im Hause der Kreisleitung.


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