Die Umwandlung von Zahlungsansprüchen in unabgesicherte Wertgutscheine sehen sie kritisch. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher seien freiwillig bereit, Gutscheine zu akzeptieren.
Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder setzen sich für eine stärkere Berücksichtigung von Verbraucherinteressen in der Corona-Krise ein. Die Umwandlung von Zahlungsansprüchen in unabgesicherte Wertgutscheine sehen sie kritisch. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher seien freiwillig bereit, Gutscheine zu akzeptieren. Jedoch könne die Absicherung ganzer Branchen nicht allein zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher erfolgen, heißt es in einem Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK). Die Ministerinnen und Minister bitten daher die Bundesregierung, sich darum zu bemühen, dass die als Ersatz für Zahlungsansprüche angebotenen Wertgutscheine gegen Insolvenzrisiken abgesichert werden. Zudem halten die Ministerinnen und Minister eine bessere Insolvenzabsicherung insbesondere bei Flugreisen für notwendig.
Die Länder haben sich im Rahmen der 16. Verbraucherschutzministerkonferenz unter dem Vorsitz von Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne und Umweltministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert über Fragen des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutzes abgestimmt. Zwei Themen standen dabei im Vordergrund: die Forderung nach stärkerer Berücksichtigung der Verbraucherinteressen bei der Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und die Betonung der Verbraucherinteressen in der Corona-Krise.
„Uns eint das gemeinsame Ziel, den Verbraucherschutz gut zu organisieren und Verbraucherrechte zu stärken“, so Grimm-Benne. Verbraucherschutz durchdringe den gesamten Alltag und sei von Bedeutung z.B. bei Altersvorsorgeprodukten/ Versicherungen, bei Lebensmitteln, Interneteinkäufen und Energielieferverträgen.
„Vor allem die Regelungen im Veranstaltungsvertrags- sowie im Pauschalreiserecht, die viele Verbraucherinnen und Verbraucher beschäftigt hat, wird die VSMK genau im Auge behalten“, sagte Baden-Württembergs Verbraucherschutzminister Peter Hauk MdL. „Eine angemessene Insolvenzabsicherung insbesondere im Pauschalreiserecht ist aus unserer Sicht dringender denn je, das hat nicht nur die Corona-Krise gezeigt. Ich freue mich, dass wir bei unseren Beschlüssen auch die verbraucherfreundliche Ausgestaltung von Energiepreisvergleichsportalen in den Fokus genommen haben. Hier muss die Bundesregierung noch dieses Jahr die EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzen“, so Hauk.
Das für Juni geplante zweitägige Treffen der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Verbraucherschutz in Dessau-Roßlau hatte aufgrund der Corona-Restriktionen ausfallen müssen, die Beschlüsse wurden daher im Umlaufverfahren gefasst.
Die wesentlichen Beschlüsse der VSMK in der Übersicht:
Stärkere Berücksichtigung der Verbraucherinteressen bei der Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
Die Vereinten Nationen hatten im Rahmen der Agenda 2030 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung formuliert. In Deutschland sollen diese 17 Ziele durch die von der Bundesregierung beschlossene Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt werden. Die digitale Transformation kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leistet. Aus Sicht der Ministerinnen und Minister müssen dabei Verbraucherinteressen stärker berücksichtigt und eingebunden und zugleich deren persönliche Daten geschützt werden.
Insbesondere soll durch die Bundesregierung geprüft werden, inwieweit visuelle oder digitale Unterstützungssysteme zur Verfügung gestellt werden können, die es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen - z.B. für energieeffiziente und umwelt- und klimafreundliche Verhaltensweisen oder als Unterstützung bei der Kaufentscheidung für neue Produkte. Nachhaltigkeit bei Produkten meint dabei den gesamten Prozess von der Produktion bis zum Verbraucher und bezieht z.B. auch Lieferketten und Online-Handel ein. Darüber hinaus wurde die Bundesregierung um Prüfung gebeten, wie Unternehmen verpflichtet werden können, Menschenrechte und Umweltstandards innerhalb der Lieferkette zu beachten und Transparenz herzustellen.
Begrüßt wurde zudem durch die VSMK, dass der Bund die kostenlose Energieberatung stärken und für bestimmte Sachverhalte, z.B. für den Verkauf eines Wohngebäudes mit nicht mehr als zwei Wohnungen, obligatorisch machen will.
Verbraucherbelange in der Corona-Krise
Die Ministerinnen und Minister begrüßen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen in der Corona-Krise entlastet wurden. Damit können Zahlungen z.B. für Telefonverträge, Strom und Miete ausgesetzt werden. Sie bitten die Bundesregierung, eine Verlängerung dieser befristeten Regelungen zu prüfen. Ziel ist, eine finanzielle Überforderung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu vermeiden.
Die VSMK spricht im Beschluss zudem die Gutschein-Lösungen zum Beispiel in der Reisebranche an. Die Intention, besonders betroffene Wirtschaftszweige zu schützen und Unternehmen zu retten, werde anerkannt. Dass dabei die Umwandlung bereits entstandener Zahlungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern in nicht abgesicherte Wertgutscheine zugelassen werde, müsse ultima ratio bleiben. Die Ministerinnen und Minister bitten daher die Bundesregierung, sich darum zu bemühen, dass die als Ersatz für Zahlungsansprüche angebotenen Wertgutscheine gegen Insolvenzrisiken abgesichert werden.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sieht die VSMK auch eine Notwendigkeit für die Überprüfung der Rahmenbedingungen der privaten Altersvorsorge von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Die VSMK konstatiert, dass viele Unternehmen durch die Corona-Beschränkungen erhebliche wirtschaftliche Einbußen zu erleiden haben. Das sollte nach Ansicht der Ministerinnen und Minister aber nicht zu einer Absenkung von Verbraucherschutzstandards führen, insbesondere nicht im Bereich E-Commerce. Die Corona-Pandemie habe verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Verbraucherinnen und Verbraucher effektiv vor gefälschten und unsicheren Produkten zu schützen und die Verantwortung der Plattformbetreiber zu stärken, heißt es im Beschluss.
Sinnvolle Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus wie die Corona-Warn-App dürfen nach Ansicht der VSMK nicht zu einer Diskriminierung von Verbraucherinnen und Verbrauchern führen.
Entgelte für Basiskonten rechtssicher begrenzen – Vergleichswebsite schaffen
Jeder Verbraucher hat seit 2016 einen Anspruch auf ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen (Basiskonto). Banken und Sparkassen sind verpflichtet, solche Konten zu eröffnen und zu führen. Entgeltmodelle liegen aber teilweise erheblich über denen herkömmlicher Konten. Die Ministerinnen und Minister haben die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob die Entgeltbemessung bei Basiskonten per Gesetz begrenzt werden sollte. Sie mahnen zudem an, dass noch immer keine zertifizierte Vergleichswebsite existiert, welche die Entgelte von Basiskonten gegenüberstellt.
Eintrag von Mikroplastik in die Nahrungskette – Mikroplastik in Lebensmitteln
Die VSMK hält europaweit einheitliche Vorgaben zum Produktdesign für notwendig, um Mikroplastikeintrag in die Umwelt bereits an der Quelle zu vermeiden. Mit Blick auf den Einsatz von flüssigen und festen Kunststoffzusätzen in Kosmetika und anderen Pflegeprodukten bittet die VSMK die Bundesregierung auf ein Verbot hinzuwirken, sollte eine freiwillige Selbstverpflichtung der Kosmetikhersteller, den Einsatz derartiger Stoffe bis zum Jahr 2020 zu beenden, nicht umgesetzt worden sein.
Harmonisierung der Transparenzvorschriften in VIG und LFGB
Die Verbraucherschutzminister erneuern ihre Forderung, ein bundesweit einheitliches und in sich schlüssiges Transparenzsystem zu Ergebnissen amtlicher Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen zu schaffen. Das soll Verbraucherinnen und Verbrauchern in einfacher Art und Weise ermöglichen, sich vor dem Kauf von Lebens- und Futtermitteln oder dem Betreten von Betriebsstätten zu informieren. Dafür sei eine Harmonisierung der Transparenzregelungen des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) und des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) dringend erforderlich.
Tierschutz beim Transport verbessern
Die Ministerinnen und Minister stellen weiteren Verbesserungsbedarf bei Tiertransporten in Drittländer fest und sehen die deutsche EU-Ratspräsidentschaft als Chance, Verbesserungen zu erreichen und sich für Änderungen in EU-Verordnungen einzusetzen. Der Beschluss listet konkrete Ziele auf – darunter, sich EU-weit für eine Begrenzung der Transportzeit von Schlachttieren auf acht Stunden einzusetzen.