Holger Köhncke, Chef der Bernburger Wohnstätten GmbH: Die Zielstellung, dass die Gebäudebestände der BWG bis 2045 CO² neutral werden, ist aus unserer Sicht eine völlige Illusion. Das werden wir und auch die meisten Wohnungsunternehmen in unserem Land aus eigener Kraft nicht schaffen.
Holger Köhncke, Chef der Bernburger Wohnstätten GmbH: Die Zielstellung, dass die Gebäudebestände der BWG bis 2045 CO² neutral werden, ist aus unserer Sicht eine völlige Illusion. Das werden wir und auch die meisten Wohnungsunternehmen in unserem Land aus eigener Kraft nicht schaffen.
Wir haben derzeit ca. 200.000 Quadratmeter Wohnfläche. Wenn wir unsere Bestände jetzt komplett umkrempeln würden und einfach nur im Durchschnitt über 1.000 €/m² pro Quadratmeter reden, wäre das ein Investvolumen von 200 Millionen. Und diese Summe können wir uns, vor dem Hintergrund, dass bis 2045 nur noch 22 Jahre Zeit sind, wirtschaftlich nicht erlauben.
Wir haben, was dieses Thema betrifft, eine ganz klare Strategie, welche nicht in erster Linie auf die vollständige und grundhafte energetische Sanierung unserer Bestände abzielt. Vor allem in den ostdeutschen Ländern, so auch in Bernburg (Saale), haben wir ein sehr gut ausgebautes Fernwärmenetz und 80 % unserer Bestände werden schon mit Fernwärme versorgt. Die Fernwärme in unserer Stadt ist mit circa 25 % jetzt schon regenerativ und wir setzen ganz klar auf einen weiteren Ausbau der Fernwärme.
Unsere Hoffnungen beruhen auf der Annahme, dass es in den nächsten Jahrzehnten technisch machbar sein wird, die Fernwärme Schritt für Schritt CO²-neutral produzieren zu können. Sicherlich lege ich jetzt den Ball in die Spielfeldhälfte des Versorgers, aber ich halte die Fernwärme gerade in historischen Städten wie Bernburg (Saale) für das Zukunftsmodell in unseren älteren Gebäudebeständen.
Die Beheizung eines Gebäudes mit Fernwärme hat, im Vergleich zur Wärmepumpe, einen aus meiner Sicht unschlagbaren Vorteil, denn egal wie der energetische Zustand ist oder die Heizflächen ausgelegt sind … „die Bude wird immer warm“. Wenn man dieses Konzept weitgehend flächendeckend ansetzen könnte, würde man den enormen Investitionsdruck, welcher mittelfristig auf den Gebäudeeigentümern lastet, mehr als deutlich abmildern.
Die Eigentümer hätten dann die Sicherheit, dass sie ihre bisherigen Heizflächen nicht austauschen müssten, um z.B. ihren Altbau auch effizient mit einer Wärmepumpe zu beheizen. Die weitere Entscheidung inwieweit man die Gebäudehülle dämmt, die Fenster bzw. die Isolierverglasung austauscht, könnte dann aus rein ökonomischen Gesichtspunkten entschieden werden und nicht unter dem Druck einer gesetzlichen Vorgabe in Bezug auf „Klimaneutralität“. Darüber hinaus scheint es schlüssig, nicht die energetische Autarkie einzelner Gebäude in den Vordergrund zu stellen, sondern wie schon bei Wasser, Abwasser und Strom auch bei der Beheizung auf den Vernetzungsgedanken zu setzen, um technischen Fortschritt sowie Qualitätskontrollen an wenigen zentralen Stellen realisieren zu können. Das ist für die Grundstückseigentümer ebenso komfortabel wie die Tatsache, dass man sich um die Wartung und Erneuerung seiner Hausanschlussstation nicht bemühen muss und im Havariefall ein 24/7 Service zur Verfügung steht … sicher von Vorteil in einer Phase akuten Handwerkermangels.
Es wird in dem benannten Zeitfenster sicher nicht möglich sein, die gesamte Stadt mit Fernwärme zu versorgen und auch sehr langfristig gedacht wird es immer Bereiche geben, wo ein Anschluss an die Fernwärmeversorgung gesamtwirtschaftlich keinen Sinn macht. Dann wird man sich die Frage stellen müssen, inwieweit es tatsächlich sinnhaft ist, unsere sehr modernen Gasnetze stillzulegen oder ob die Option, diese mit einem anderen Gasmix, z.B. aus Erdgas, Biogas und Wasserstoffgemisch zu befüllen, nicht - zumindest übergangsweise - eine Alternative wäre.
Die Heizung mittels einer Wärmepumpe ist technisch interessant, weitgehend ausgereift und theoretisch bei fast allen Gebäuden einsetzbar. Die Energieeffizienz dieser Anlagen ist allerdings nicht gleichzusetzen mit deren Wirtschaftlichkeit. Dazu im Altbaubereich eine verlässliche Aussage zu treffen, ist auf Grund der doch sehr diffusen Energiepreisprognosen im Moment noch spekulativ. Zu hohe Vorlauftemperaturen in Verbindung mit einem Strompreis von 0,40 €/KWh lassen diese Anlagen unabhängig von den sehr hohen Erstellungskosten auch beim Betrieb schnell ins Minus rutschen.
Die Wärmepumpe ist vor allem für den Neubau, bei Gebäuden mit Niedrigtemperaturheizungen oder bei ohnehin beabsichtiger Vollsanierung wirtschaftlich darstellbar.
Das Beheizen mit nachwachsenden Rohstoffen kann insgesamt nur eine Übergangslösung sein, um sich alternativ und günstig mit Wärme versorgen zu können. Aus dem Blickwinkel der Steigerung der Lebensqualität und der Emmissionsreduzierung wäre es mehr als wünschenswert, wenn die zunehmend durch die Stadt wabernden Gerüche von Hausbrand deutlich nachlassen würden.
Eine Heizungsart, welche von den Anschaffungskosten ausgesprochen günstig, minimalistisch und zudem wartungsfrei ist, wäre die Stromdirektheizung welche in Deutschland eher noch ein Schattendasein fristet. Diese Anlagen können bei den momentanen Strompreisen nur effizient in sehr gut gedämmten Häusern mit einem hohen Anteil eigener Energieerzeugung wirtschaftlich betrieben werden … es sei denn, dass ein politisches Versprechen der reichlichen Verfügbarkeit von sauberem und wirklich preiswertem Strom irgendwann mal eingelöst wird.
Ich vermisse insgesamt in der politischen Umsetzungsdiskussion dieser Zielstellung die klare Aussage bzw. die Ehrlichkeit, dass diesen Transformationsprozess am Ende die Endkunden (Mieter und Eigentümer selbstgenutzter Immobilien) und der Steuerzahler finanzieren müssen. Das vermeintliche Ablasten dieser Aufwendungen auf die Vermieter wird am Ende immer dazu führen, dass diese ihre Aufwendungen an den Mieter direkt oder mittelfristig indirekt weitergeben werden.
Persönlich halte ich es für vernünftig, dass wir uns als ein Land, welches über keine nennenswerten Erdöl und Erdgasreserven verfügt, langfristig von diesen Energieträgern lösen und parallel dazu unsere CO²- Emissionen reduzieren.
Diese Entwicklung muss nur mit Augenmaß vollzogen werden, ohne dabei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Gebäudeeigentümern und Gebäudenutzern zu überfordern bzw. diese mit immer neuen Gesetzgebungsideen zu verunsichern. Dazu gehört auch die grundehrliche Aussage, dass sich im Moment viele „klimaneutrale“ Technologien nur bei relevanter Förderung rechnen und die Wirtschaftlichkeit fossiler Energien künstlich durch immer höhere Abgaben verschlechtert wird.
Wenn wir sehr langfristig die Zielstellung einer CO² neutralen Nation erreichen wollen, müssen die Menschen von dem Mehrwert dieser Vision für unsere Gesellschaft im positiven Sinne überzeugt werden. Die besten Argumente wären überzeugende Technologien, kalkulierbare Kosten, Planungssicherheit und ein zu erwartender Komfortgewinn … politische Indoktrination ist in diesem Zusammenhang die schlechtmöglichste Lösung.
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