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Schiffbauer aus Sachsen-Anhalt bauen das weltweit erste Elektro-Schubboot für Binnengewässer

Computerrendering des ELEKTRA-Schubbootes © EBMS-TUB
Computerrendering des ELEKTRA-Schubbootes © EBMS-TUB

Das weltweit erste Schubboot, das nur mit Strom aus Batterien und wasserstoffgespeisten Brennstoffzellen fährt, entsteht derzeit auf einer Schiffswerft in Derben an der Elbe.


Das weltweit erste Schubboot, das nur mit Strom aus Batterien und wasserstoffgespeisten Brennstoffzellen fährt, entsteht derzeit auf einer Schiffswerft in Derben an der Elbe. ELEKTRA, so dessen Name, ist ein Beispiel für klima- und umweltfreundliche Mobilität aus Sachsen-Anhalt.

 

Nicht nur auf den Straßen und in der Luft gehört dem emissionsfreien Verkehr die Zukunft. Gleiches soll demnächst auch für den Schiffstransport von Waren und Menschen auf dem Wasser gelten. Firmen zwischen der Altmark und dem Burgenlandkreis stellen sich den Herausforderungen im Schwerpunkt New Mobility der Regionalen Innovationsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt.

 

Auch die Schiffswerft Hermann Barthel aus Derben, einem Ortsteil von Elbe-Parey, ist dabei. Das seit über 200 Jahren Familiengeführte Unternehmen hat schon viele Schiffe gebaut, einige davon bis zu 80 Meter lang, neun Meter breit und mit bis zu 1,3 Meter Tiefgang. Derzeit arbeiten die rund drei Dutzend Werftmitarbeiter an einem neuartigen, rein elektrisch angetriebenen Schubboot für die Binnenschifffahrt auf Elbe, Havel und den Berliner Binnengewässern. Das rund 140 Tonnen schwere Schubboot ist das erste seiner Art weltweit.

 

Es basiert auf Planungen und Konzeptstudien eines Forscherteams um Professor Gerd Holbach, Leiter des Fachgebiets Entwurf Maritimer Systeme der TU Berlin. Für die Realisierung des Projektes haben sich acht Partner aus universitärer Forschung und Industrie zusammengetan - darunter die Schiffswerft Hermann Barthel, die von weiteren regionalen Unternehmen unterstützt wird. Die Aussicht, damit etwas in die Zukunft weisendes zu tun, ließ Geschäftsführer Dipl.-Ing. Hermann Barthel nicht lange zögern, als die Frage nach der Zusammenarbeit bei dem Projekt „Brennstoffzellen-Schubschiff“ anstand.

400 km ohne Zwischenhalt

 

Die auffälligste Neuerung gegenüber konventionellen Schubbooten ist der Verzicht auf einen Dieselmotor. Damit entstehen auch keine klimaschädlichen Emissionen wie Kohlendioxid, Dieselruß und Stickoxide. Für eine Schubkraft von bis zu 1400 Tonnen sorgen moderne Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Akkus aus den Niederlanden und drei Niedertemperatur-Brennstoffzellen eines kanadischen Unternehmens. Zusammen mit den sechs Wasserstoffdruckbehältern nehmen sie einen Großteil der Fläche des Schiffdecks hinter dem Steuerhaus ein. Deshalb verlängerte sich auch die Schiffslänge im Vergleich mit einem konventionellen Schubboot um etwa drei auf 20 Meter. Aber das ist kein Problem. Zusammen mit dem 65 Meter langen Transportkahn, dem so genannten Schwergutleichter Ursus, wird der Schubverband alle Schleusen auf dem Weg zwischen Berlin und Hamburg passieren können. „Wir erwarten, die rund 400 Kilometer lange Strecke mit einer Schublast von 1400 Tonnen ohne Zwischenhalt zum Energieaufnehmen durchzufahren zu können“, sagt Professor Holbach. Das ist durch wahlweise Hinzuschaltung der drei Wassergekühlten Brennstoffzellen möglich. Zusätzlich speist eine Photovoltaikanlage auf dem Dach Strom in das Bordstromnetz. Ein ausgeklügeltes Fahrassistenzsystem sorgt dafür, dass der Energieverbrauch möglichst gering ist und der Fahrplan optimal eingehalten wird.

 

Die üblicherweise aus zwei bis drei Besatzungsmitgliedern bestehende Crew eines Schubbootes wird auch weiterhin gebraucht. Neue Ausbildungsberufe bedarf es nicht, nur Zusatzqualifikationen für den sicheren Umgang mit der Wasserstofftechnologie und den Lithium-Akkumulatoren.

 

Noch vor Jahresende 2020 soll der Stapellauf der ELEKTRA auf der Schiffswerft in Derben erfolgen. Danach folgen ausführliche Tests auf den Berliner Wasserstraßen und Fahrten, ausgehend vom Heimathafen der ELEKTRA, dem Berliner Westhafen, in dem auch der spätere Eigner des Schiffs, die Berliner Hafen und Lagerhausgesellschaft, ihren Hauptsitz hat. Künftig soll das Schubboot u.a. mehrere hundert Tonnen schwere Siemens-Gasturbinen, die in Berlin gefertigt werden, zum Exporthafen Hamburg befördern.

 

Der Praxistest muss beweisen, dass elektrische Schubschiffe, neben ihrer Umwelt- und Klimafreundlichkeit, auch sicher und konkurrenzfähig gegenüber konventionellen Binnenfrachtern sind. Dann wird man vielleicht schon in wenigen Jahren weitere emissionsfreie Schiffe auf europäischen Gewässern sehen. Menschen und Natur könnten nicht nur von einer saubereren Luft profitieren, sondern auch von einer deutlich geringeren Geräuschbelästigung. Im Unterschied zu herkömmlichen Schiffsmotoren arbeiten Brennstoffzellen und Batterien nahezu lautlos.

Optimale trimodale Anbindung in Magdeburg

 

In der Diskussion ist derzeit der Auf- und Ausbau von „Tankstationen“, in denen „grüne“ Schiffe Wasserstoffbehälter und Strom nachladen können. Der Industriehafen Magdeburg-Rothensee bietet sich durch seine optimale trimodale Anbindung an das Autobahn-, Eisenbahn- und Wasserstraßennetz dafür an. Nicht nur der Güterfrachtverkehr dürfte in Zukunft eine Abkehr vom Schiffsdiesel erleben, erwartet Professor Holbach. Auch auf Hausboten und Fahrgastschiffen könnten sich emissionsfreie Antriebstechniken mehr und mehr durchsetzen, wenn die politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mehr grüne Mobilität zulassen.

 

Autor: Uwe Seidenfaden



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