Stefanie Olsen vom Fachdienst Natur und Umwelt des Salzlandkreises erklärt, warum Wasserentnahme von Flüssen und Seen reguliert werden muss.
Sehr geehrte Frau Olsen, die Untere Wasserbehörde hat ein Wasserentnahmeverbot für Flüsse und Seen ausgesprochen. Wie stellt sich die Situation im Salzlandkreis konkret dar?
Stefanie OIsen: Die vergangenen Wochen und Monate waren zu trocken. Es fiel kaum Regen und die Abflussbildung blieb aus. Das wirkt sich massiv auf die Flüsse und Seen und auch das Grundwasser im Salzlandkreis aus. Sie verlieren viel Wasser durch Verdunstung, der nicht durch den Abfluss aus Niederschlägen ausgeglichen werden kann. Damit sinken die Pegelstände. Die Wipper zum Beispiel bei Groß Schierstedt hatte vorigen Donnerstag nur noch einen Pegelwasserstand von 53 Zentimeter. Normal sind zu dieser Jahreszeit dort durchschnittlich 75 Zentimeter. Selbst ein größerer Fluss wie die Bode führt an einigen Stellen nur noch ein Bruchteil des üblichen Wassers.
Warum ist das ein Problem?
Olsen: Wasser stellt für uns alle, also auch die Pflanzen, Insekten und Tiere, die Lebensgrundlage dar. Ist nicht genügend Wasser vorhanden, hat das negative Auswirkungen auf die Lebensräume und Entwicklung insbesondere von bestimmten Populationen. Allein der Lebensraum für die Fische in den Flüssen und Seen oder auch in den Dorfteichen hängt vom Wasserstand und damit von der Wasserqualität ab. Die Pflanzen leiden ebenfalls stark unter dem Wassermangel. Das sieht man leider sehr häufig an den brüchigen Ästen und welken Blättern. Diese Auswirkungen beobachten unsere Kolleginnen und Kollegen verstärkt. Daneben stellt Wasser ein wirtschaftliches Gut für unsere Unternehmen dar. Die Produktion einiger großer Industriebetriebe im Salzlandkreis ist vom Wasser abhängig. Auch unsere Landwirte benötigen ausreichend Wasser für ihre Bewirtschaftung.
Bedeutet ein Verbot, das überhaupt kein Wasser mehr aus Flüssen und Seen entnommen werden darf?
Olsen: Nein. Wir haben Ausnahmen in der Allgemeinverfügung definiert. Wer darüber hinaus Wasser aus den oberirdischen Gewässern entnehmen will, muss einen Antrag bei uns in der Unteren Wasserbehörde stellen. Wir prüfen den Grund und was aus unserer Sicht möglich ist.
Ist die Situation vergleichbar mit den Vorjahren?
Olsen: Wir erleben eine ähnliche Trockenperiode wie im Jahr 2019 – mit dem gravierenden Unterschied, dass sich unsere Gewässer im Frühjahr aufgrund ausbleibenden Regens nicht ausreichend erholen konnten. Die Böden waren so ausgetrocknet, dass die Abflussbildung nach den Regenereignissen deutlich reduziert war. So wurde der anfallende Regen zum Großteil in den Böden gespeichert und gelang nur zu einem geringen Anteil in die Gewässer. Wir sind von einem normalen Niveau weit entfernt. Persönlich bin ich der Auffassung, dass es großen Anstrengungen bedarf, mit der Trockenheit besser umzugehen. Wasser sparen kann stets nur eine kurzfristige Lösung sein. Die Frage ist, wie man die vorhandenen Ressourcen effizient nutzt. Da ist jeder auch ein Stück weit selbst gefragt.
Welche Auswirkungen hat die Verfügung zur Wasserentnahme für die Allgemeinheit?
Olsen: Wenn zum Beispiel öffentliche Grünflächen oder Rasensportplätze bisher mit Wasser aus angrenzenden Flüssen oder Seen gewässert worden sind, so ist das untersagt. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass sich diese Flächen nach der Hitzeperiode wieder regenerieren werden.
Die Bewässerung solcher Anlagen mit Grundwasser ist zwar möglich, sollte jedoch ausgesetzt werden, um die wertvollen Ressourcen zu schonen. Feuerwehren dürfen nur noch bei Einsätzen auf vorhandenes Fluss-, See- oder Grundwasser zurückgreifen, Übungen müssen sozusagen trocken abgehalten werden.
Was müssen Kleingärtner oder Hausbesitzer berücksichtigen?
Olsen: Sie nutzen häufig aufgefangenes Regenwasser oder Grundwasser, um ihre Pflanzen zu gießen, nicht selten auch Trinkwasser aus der Leitung. Wer das Grundwasser unbedingt nutzen muss, sollte das sehr sorgsam zwischen 18 und 9 Uhr tun, damit nicht allzu viel sofort wieder verdunstet. Jeder sollte wirklich prüfen, ob eine Bewässerung mit Grundwasser wirklich notwendig ist.
Viele wollen bei dem Wetter baden gehen. Wird das möglich bleiben?
Der heimische Pool wird gewöhnlich mit Trinkwasser gefüllt. Für die Versorgung damit sind die jeweiligen Zweckverbände verantwortlich. Wie lange das Baden in natürlichen Seen möglich ist, hängt von der Wasserqualität ab. Sinkende Wasserstände können diesbezüglich durchaus problematisch werden, wenn sich bei lange vorherrschender Hitze Blaualgen bilden. Durch unseren Fachdienst Gesundheit wird die Wasserqualität der EU-Badegewässer und der öffentlichen Schwimmbäder regelmäßig überwacht. Der Fachdienst entscheidet, ob im Einzelfall dort ein Badeverbot auszusprechen ist. Nach Auskunft der zuständigen Kolleginnen und Kollegen gibt derzeit die Qualität unserer Badegewässer keinen Grund zum behördlichen Einschreiten.
Warum wurde ein Verbot zur Entnahme von Grundwasser bisher nicht ausgesprochen?
Olsen: Wir beobachten auch die Wasserstände in den Grundwasser-Messstellen im Salzlandkreis, die vom Gewässerkundlichen Landesdienst betrieben werden. Die Auswertung hat ergeben, dass die Grundwasserstände zwar sehr niedrig sind, aber den markanten Niedrigst-Wasserstand in der Regel noch nicht unterschritten haben. Deshalb war die Verfügung eines Wasserentnahmeverbots für das Grundwasser noch nicht erforderlich. Wir beobachten aber auch hier die Entwicklungen sehr genau und werden gegebenenfalls Einschränkungen aussprechen, sofern das notwendig wird. Deshalb: Jeder, wirklich jeder – von Privatpersonen über Unternehmen bis hin zu landwirtschaftlichen Betrieben – ist aufgefordert, beim sorgsamen Umgang mit Wasser mitzuwirken.
Wie kontrollieren Sie das Entnahmeverbot als Behörde?
Olsen: Wir sind täglich unterwegs und schauen uns die Gewässer und üblichen Wasserentnahmestellen an. Wir gehen selbstverständlich auch Hinweisen nach. Ein Verstoß stellt kein Kavaliersdelikt dar. Es handelt sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro belangt werden kann.
Noch einmal: Wir sind alle unbedingt angehalten, sehr, sehr sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen – und zwar mindestens solange, bis sich die Pegelstände wieder auf einem normalen Niveau befinden. Wann das sein wird, kann niemand vorhersagen. Deswegen gilt das Wasserentnahme-Verbot auch bis auf Weiteres.
Müssen wir uns auch um unsere Trinkwasserversorgung Sorgen machen?
Olsen: Diese Frage können nur die zuständigen Trinkwasserversorger beantworten.
Vielen Dank für das Gespräch
Zur Erklärung, wie die Pegelstände gemessen werden: Die Untere Wasserbehörde überprüft regelmäßig die Wasserstände und Abflüsse in den Fließgewässern des Salzlandkreises. Dafür werden sogenannte gewässerkundliche Hauptwerte für die Pegel herangezogen. Als Hauptwert liegt zum Beispiel der Mittelwasserabfluss vor, der den langjährigen durchschnittlichen mittleren Abfluss im Gewässer angibt und aufgrund der monatlichen Angabe bereits die saisonalen Schwankungen im Gewässer berücksichtigt. Als kritischer Wert wird der mittlere Niedrigwasserabfluss gesehen. Wird dieser unterschritten, muss die Behörde davon ausgehen, dass Probleme im Naturhaushalt entstehen können, da kein ausreichendes Wasserdargebot vorhanden ist.
Aus diesem Grund werden wasserrechtliche Erlaubnisse zur Entnahme von Oberflächenwasser in der Regel unter der Bedingung erteilt, dass die Entnahme bei Unterschreiten des Wertes einzustellen ist.
Der Fachdienst Gesundheit überwacht nicht natürliche Badestellen im Salzlandkreis. Hier gilt der Grundsatz: Baden auf eigene Gefahr!
Die aktuellen Wasserstände können im Internet unter www.hochwasservorhersage.sachsen-anhalt.de
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