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Haseloff im Landtag: Die Thesen von Potsdam sind nicht kleinzureden

Haseloff forderte die Bundesregierung erneut auf, gegen die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland, „noch viel entschlossener vorzugehen und konsequenter durchzugreifen“.

„Deutschland im Jahr 2023, nicht 1933: In Potsdam diskutieren Rechtsextreme unverhohlen rassistische Phantasien. Menschen aus unserer Mitte werden stigmatisiert, ausgegrenzt und ihre organisierte Vertreibung aus Deutschland wird erörtert. Die Thesen von Potsdam sind nicht kleinzureden. Das Treffen zeigt uns drastisch die vom Rechtsextremismus zunehmend ausgehenden Gefahren für unser Land auf.“ Das sagte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff heute im Landtag aus Anlass einer aktuellen Debatte zum Treffen von Rechtsextremen in Potsdam im November des vergangenen Jahres.

 

Haseloff führte weiter aus: „Unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere Demokratie sind herausgefordert. Klare Reaktionen zeigen! Das ist das Gebot der Stunde. Seit vielen Tagen gehen in ganz Deutschland Hunderttausende von Menschen auf die Straßen, Tausende auch in Halle und Magdeburg. Sie wenden sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Dafür bin ich sehr dankbar. Das sind ermutigende Signale.“

 

Haseloff betonte in der Debatte: „Angesichts unserer Geburtenzahlen müssen wir eine vernünftig geordnete Zuwanderung als Chance begreifen und nicht als Bedrohung. Fachkräfte werden heute weltweit umworben. Wir stehen in einem globalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Eine aufrichtige Willkommenskultur zielt auf Teilhabe und Integration ab.“

 

Haseloff forderte die Bundesregierung erneut auf, gegen die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland, „noch viel entschlossener vorzugehen und konsequenter durchzugreifen“. Haseloff. „Es gibt viele schwerwiegende Probleme. Wir werden sie aber gewiss nicht mit fundamentalistischen Parolen lösen können, sondern nur mit harter politischer Arbeit. Dabei orientieren wir uns an den Vorgaben unseres Grundgesetzes, denn zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihren Werten gibt es in Deutschland keine Alternative!“

 

Rede von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff anlässlich der Aktuellen Debatte im Landtag am 25. Januar 2024

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete seit Jahren beobachten wir und inzwischen auch der Verfassungsschutz den Weg der AfD von einer ursprünglich euroskeptischen zu einer offen rechtsextremen Partei. Viele Gründungsmitglieder haben die Partei wegen dieser verhängnisvollen Entwicklung inzwischen verlassen und warnen davor, die Gefahren, die von der AfD mittlerweile ausgehen, zu bagatellisieren. Und die Positionen, die von herausgehobenen Funktionsträgern der Partei vertreten werden, werden immer radikaler.

 

Deutschland im Jahr 2023, nicht 1933: In Potsdam diskutieren Rechtsextreme unverhohlen rassistische Phantasien. Menschen aus unserer Mitte werden stigmatisiert, ausgegrenzt und ihre organisierte Vertreibung aus Deutschland wird erörtert. In Potsdam wurde in geschlossener Gesellschaft Klartext gesprochen; gut, dass Journalisten es in die Öffentlichkeit getragen haben. Die Teilnehmer des Treffens haben sich endgültig demaskiert und ihr wahres Gesicht gezeigt.

 

Ich frage mich: Wie geschichtsvergessen kann man eigentlich sein? Was dort verhandelt worden ist, erinnert an die finstersten Zeiten deutscher Geschichte. Und, auch das bleibt festzuhalten, die AfD distanziert sich von diesem Treffen und den dort propagierten Thesen allenfalls halbherzig. Die Partei sieht sich in klassischer Täter-Opfer-Umkehr vielmehr als Opfer einer von Politik und Medien inszenierten Kampagne. Das zeigt, wes Geistes Kind die AfD ist. Wer so reagiert, hat nichts verstanden.

 

Die Thesen von Potsdam sind nicht kleinzureden. Das Treffen zeigt uns drastisch die vom Rechtsextremismus zunehmend ausgehenden Gefahren für unser Land auf. Reden auch wir Klartext. Unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere Demokratie sind herausgefordert. Klare Reaktionen zeigen! Das ist das Gebot der Stunde. Seit vielen Tagen gehen in ganz Deutschland Hunderttausende von Menschen auf die Straßen, Tausende auch in Halle und Magdeburg. Sie wenden sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Dafür bin ich sehr dankbar. Das sind ermutigende Signale.

 

Für unsere Überzeugungen und demokratischen Institutionen müssen wir entschlossen eintreten. Wir haben Verantwortung vor der Geschichte und für die Gestaltung der Zukunft. Wehret den Anfängen ist keine Floskel, sondern in der wehrhaften Demokratie unseres Grundgesetzes ein moralischer Imperativ. In ihr trägt jeder Einzelne Verantwortung für sich selbst und für die Allgemeinheit. Das gilt heute mehr denn je, auch für den Staat, der handeln muss und weiter handeln wird.

 

Der Nationalsozialismus lässt sich nicht aus der Kontinuität der deutschen Geschichte lösen. Kann sich Ähnliches wiederholen? Man sollte diese Frage nicht allzu leichtfertig mit Nein beantworten. Die liberale Demokratie stabilisiert sich nicht automatisch, sondern nur durch bürgerschaftliches Handeln. Wir beobachten seit längerem einen schwindenden Respekt gegenüber demokratischen Normen und Institutionen. Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich immer mehr. Radikale, ja menschenverachtende Parolen werden hoffähig.

 

Rassisten und Rechtsextreme, vertreten unverhohlen anachronistische Geschichts- und Weltbilder. Für sie scheint es das 20. Jahrhundert nie gegeben zu haben. Dahinter verbirgt sich auch eine Sehnsucht nach einfachen Lösungen für komplexe Modernisierungsprozesse. Jacob Burckhardt warnte schon im 19. Jahrhundert hellsichtig vor den schrecklichen Vereinfachern. Gegen sie, ihre Politik und Weltbilder muss man mit aller Entschiedenheit vorgehen.

 

Patentrezepte gibt es zwar nicht. Aber gerade auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte kann uns sensibilisieren und wachsamer machen gegenüber diesen evidenten Bedrohungen. Wir können aus der Geschichte lernen. Sie ist kein Strom ohne Lenkung und kein bloßes Sichereignen. Geschichte ist das Ergebnis menschlicher Handlungen. Aufklärung ist wichtig, und sie muss in die Breite wirken.

 

Die Lehren aus dem Nationalsozialismus können nur lauten, unsere Gegenwart nach anderen, menschlicheren Maßstäben zu gestalten. Unser demokratischer Verfassungsstaat ist die Antithese zum politischen Extremismus. Der erste Artikel unsere Verfassung beginnt mit den Sätzen: „Die Würde des Menschen“ – und das meint alle Menschen – „ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das war die bewusste Antwort der Verfassungsväter und -mütter auf die menschenverachtenden nationalsozialistischen Verbrechen. Ganz bewusst stehen die individuellen Grundrechte am Anfang des Grundgesetzes. An diesen Werten hat sich unsere Gesellschaft auszurichten, und sie muss sie wehrhaft verteidigen. Sie sind nicht verhandelbar. Auch die Grundrechte gelten für alle in Deutschland lebenden Menschen: ohne Ausnahme.

 

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Potsdamer Treffens wollen eine andere Gesellschaft, denn ihre Thesen sind mit dem Leitbild des Grundgesetzes schlechthin unvereinbar. Sie haben ein ganz anderes Menschenbild, in dem nicht jedem Geschöpf Gottes dieselbe Würde innewohnt. Ihre Bewegung geht allein von der Vorstellung eines geeinten und homogenen Volkes aus, in dem alle anderen Menschen Fremdkörper sind. Sie distanzieren sich radikal von allem, was ihnen fremd ist. Ihre von Ressentiments geleitete Politik bietet keine Lösungen, sondern verschärft die Probleme. Ihr Vokabular ist unmenschlich, zynisch und abscheulich. „Wir gegen die anderen.“ Demokratie ist aber immer auch Schutz von Minderheiten und sie fußt auf Mitmenschlichkeit und Solidarität.

 

Treffen und Thesen wie in Potsdam gefährden unsere Demokratie. Der Schaden ist immens. Das Ausland registriert solche Vorfälle sehr genau. Erst kürzlich hat sich der renommierte US-Ökonom Adam Posen verstört gezeigt über die Wahlerfolge der AfD. Qualifizierte Fachkräfte werden abgeschreckt, nach Deutschland zu kommen. Nationale Abschottung ist Gift für jede Volkswirtschaft. Denken Sie an Intel oder an die vielen anderen ausländischen Investoren in Sachsen-Anhalt. Wenige Länder haben in der Vergangenheit so sehr von Europa und der Globalisierung profitiert wie das Exportland Deutschland. Das muss aber nicht so bleiben.

 

Angesichts unserer Geburtenzahlen müssen wir eine vernünftig geordnete Zuwanderung als Chance begreifen und nicht als Bedrohung. Fachkräfte werden heute weltweit umworben. Wir stehen in einem globalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Für gut ausgebildete Menschen aus aller Welt muss es attraktiv sein, in Deutschland zu leben und zu arbeiten: für die Pflegekraft ebenso wie für den Facharbeiter und die Akademikerin. Doch das allein reicht nicht aus. Ebenso wichtig ist ein Klima der Weltoffenheit.

 

Eine aufrichtige Willkommenskultur zielt auf Teilhabe und Integration ab. Einwanderer müssen sich wohl und sicher in unserem Land fühlen. Ihnen müssen nicht nur beruflich gute Perspektiven geboten werden. Nur dann werden sie dauerhaft bleiben. Sachsen-Anhalt ist weltoffen, tolerant und pluralistisch. Für diese Werte stehe ich als Ministerpräsident, und ich bin mir sicher: Der weitaus größte Teil unserer Bevölkerung teilt diese Einstellung. Die Mehrheit will eine Gesellschaft ohne Ressentiments. Ihr ist der gesellschaftliche Zusammenhalt wichtig.

 

Richtig ist aber auch: Zuwanderung darf die Menschen nicht überfordern. Ein Menschenrecht auf Einwanderung gibt es nicht. Artikel 16a GG garantiert das Recht auf Asyl, aber Einwanderung können und müssen wir so gestalten, dass die Willkommenskultur nicht leidet. Das Bild der Deutschen vom Migrationsgeschehen hat sich seit einigen Jahren stark verändert, und das nicht zum Positiven, wie die „FAZ“ vor einigen Tagen schrieb. Zugleich hat die irreguläre Zuwanderung einen historischen Höchststand erreicht.

 

Wir können das im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts nicht ignorieren. Hier ist vor allem die Bundesregierung gefordert. Sie muss dagegen noch viel entschlossener vorgehen und konsequenter durchgreifen. Ob hier und heute das neue Staatsangehörigkeitsrecht tatsächlich das richtige Signal ist, wird von vielen, auch Fachleuten, infrage gestellt. Ist ein Militärdienst ohne Staatsangehörigkeit sinnvoll? Es geht auch um Loyalität gegenüber dem Staat und das Bekenntnis zu ihm. Das schließt auch die Verantwortung für unserer Geschichte und ihre Folgen ein, auch gegenüber Israel.

 

Die Ministerpräsidenten-Konferenz hat im Dezember des vergangenen Jahres gemeinsam mit dem Bund neue Regeln zur Steuerung der Migration beschlossen, und zwar einstimmig. Nun hat der Bundestag vor einer Woche ein neues Gesetz unter anderem zur Erleichterung von Rückführungen verabschiedet. Es geht zwar in die richtige Richtung, bleibt aber hinter unseren Beschlüssen zurück.

 

Ich hoffe, wir werden in der Ländergemeinschaft des Bundesrates nachbessern können, um die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland zu stoppen. Was will ich damit sagen: ja, es gibt viele schwerwiegende Probleme. Wir werden sie aber gewiss nicht mit fundamentalistischen Parolen lösen können, sondern nur mit harter politischer Arbeit. Dabei orientieren wir uns an den Vorgaben unseres Grundgesetzes, denn zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihren Werten gibt es in Deutschland keine Alternative!

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