„Damit werden zahlreiche und vor allem wesentliche Verbesserungen für alle Kinder und Jugendlichen und auch für Eltern ermöglicht, die auf die Unterstützung des Jugendamtes angewiesen sind“
Der Bundesrat hat heute mit der Stimme Sachsen-Anhalts der Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zugestimmt. „Damit werden zahlreiche und vor allem wesentliche Verbesserungen für alle Kinder und Jugendlichen und auch für Eltern ermöglicht, die auf die Unterstützung des Jugendamtes angewiesen sind“, sagte Sozialministerin Petra Grimm-Benne am Freitag in Magdeburg.
Wesentliche Verbesserungen werden mit dem Gesetz insbesondere im Bereich Kinderschutz erreicht. Grundvoraussetzung eines wirksamen Kinderschutzes ist eine ausreichende Personalausstattung der Jugendämter. Sachsen-Anhalt hat sich daher mit einem eigenen Antrag im Bundesrat erfolgreich dafür eingesetzt, die Jugendämter dadurch zu stärken, dass deren Personalausstattung künftig über ein Personalbemessungsverfahren zu ermitteln ist. Überlastungssituationen müssen unbedingt vermieden werden.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen, die in Einrichtungen oder Pflegefamilien untergebracht sind, wird deutlich erhöht, indem bspw. die Heimaufsicht auch ohne konkreten Anlass und unangemeldet die Bedingungen in der Einrichtung überprüfen kann. Zudem wird das Gesundheitswesen (konkret die ÄrztInnen) stärker in die Verantwortung für einen wirksamen Kinderschutz einbezogen. Das Zusammenwirken von Jugendamt, Jugendgericht, Familiengericht und Strafverfolgungsbehörden sowie anderen wichtigen Akteuren, wie etwa Lehrerinnen und Lehrern, wird verstärkt.
Leitbild und umfassender Handlungsauftrag des Kinder- und Jugendhilferechtes ist die Partizipation. Junge Menschen und ihre Eltern sind stets aktiv und mitgestaltend in Hilfe- und Schutzprozesse einzubeziehen. Im Sinne dieses Grundsatzes sehen die neuen Regelungen noch mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien vor.
Kinder und Jugendliche erhalten einen eigenen Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt, auch ohne Kenntnis der Eltern. Besonders bedeutsam ist dies gerade für solche jungen Menschen, die sich alleingelassen fühlen, weil ihre Eltern notwendige Unterstützung und Hilfe nicht in Anspruch nehmen oder organisieren.
Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe werden auch dadurch gestärkt werden, dass das Jugendamt verpflichtet ist, mit selbstorganisierten Zusammenschlüssen von Jugendlichen zusammenzuarbeiten und bei der Jugendhilfeplanung anzuhören. Im Jugendhilfeausschuss sollen sie als beratende Mitglieder mitwirken.
Bundesweit ist darüber hinaus künftig die Einrichtung von Ombudstellen vorgeschrieben, die gewährleisten sollen, dass sich Eltern und Kinder/Jugendliche sowie das jeweilige Jugendamt „auf Augenhöhe“ begegnen können. Sachsen-Anhalt erprobt gerade in einem Modellprojekt, unter welchen Bedingungen ombudschaftliche Beratung gelingen und landesweit etabliert werden kann und ist daher gut gerüstet.
Die Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes stärkt zudem Kinder- und Jugendliche, die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in einer stationären Einrichtung oder Pflegestelle erhalten, indem diese in einem deutlich geringeren Umfang als bisher zu den Kosten der Unterbringung herangezogen werden. So dürfen sie künftig mindestens drei Viertel ihres Verdienstes behalten, nur maximal 25 Prozent dürfen künftig für die Beteiligung an den Unterbringungskosten herangezogen werden. Bisher sind es 75 Prozent.
Ein wichtiges Signal setzt die heute bestätigte Gesetzesänderung auch für eine zahlenmäßig vielleicht kleine Gruppe junger Menschen, die jedoch besonderen Diskriminierungen und Gefährdungen ausgesetzt sind. Die Lebenslagen transidenter, nicht-binärer und intergeschlechtlicher Kinder und Jugendlicher sind künftig genauso bei der Ausgestaltung der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen, wie bislang schon die besonderen Lebenslagen von Mädchen und Jungen.
Schließlich wird mit dem Gesetz die lange geforderte und überfällige Weichenstellung für eine gemeinsame Förderung aller jungen Menschen unabhängig von dem Vorliegen einer Behinderung unter dem gemeinsamen Dach der Kinder- und Jugendhilfe in die Wege geleitet: In einem siebenjährigen, gestuften Prozess sollen die bisherigen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe in der Zuständigkeit des Jugendamtes zusammengeführt werden.