Zu Jahresbeginn 2022 hat sich das Sterbegeschehen in Deutschland annähernd normalisiert.
Wie groß sind die direkten und indirekten Auswirkungen der Pandemie auf die Gesamtzahlen der Sterbefälle in Deutschland?
Zur Beantwortung dieser Frage stellt das Statistische Bundesamt vorläufige Auszählungen von Sterbefallmeldungen der Standesämter nach Tagen, Wochen und Monaten als Sonderauswertung zur Verfügung, bevor die regulären Ergebnisse der amtlichen Sterbefallstatistik vorliegen. Aktuell ist eine solche Auszählung bis zum 17. Juli 2022 darstellbar.
Entwicklung im Jahr 2022
Zu Jahresbeginn 2022 hat sich das Sterbegeschehen in Deutschland annähernd normalisiert.
Im Dezember 2021 (+25 %) starben noch deutlich mehr Menschen als im Mittel (Median) der Vorjahre. Im Januar 2022 (+5 %) lagen die Sterbefallzahlen in deutlich geringerem Ausmaß über dem mittleren Wert der Jahre 2018 bis 2021 für diesen Monat. Im Februar 2022 (+1 %) lagen sie im Bereich des entsprechenden Vergleichswertes. Im Laufe des März ist in den meisten vorpandemischen Jahren die Grippeaktivität und zeitgleich auch die Zahl der Sterbefälle deutlich zurückgegangen. Dieser Effekt trat 2022 erst verzögert im Laufe des Aprils ein, sodass die Sterbefallzahlen im März (+7 %), April (+6 %) und Mai (+7 %) deutlicher über dem Vergleichswert aus den Vorjahren lagen als noch im Februar. Eine Erklärung könnten die in dieser Zeit immer noch in größerer Zahl aufgetretenen COVID-19-Todesfälle sein. Für den Juni ergibt sich ein Wert von +8 %. Besonders erhöht waren die Sterbefallzahlen im Sommer 2022 dabei bisher in den Kalenderwochen 24 (+10 %) und 25 (+14 %), also vom 13. bis 26. Juni, und laut aktueller Hochrechnung in Kalenderwoche 28 mit + 15% (11. bis 17. Juli). Sowohl im Juni als auch in der ersten Julihälfte wurden zeitgleich sehr hohe Temperaturen verzeichnet. Dass im Zuge von Hitzewellen die Sterbefallzahlen ansteigen, ist ein bekannter Effekt, der auch in den Vorjahren beobachtet wurde.
Jahresverlauf 2021: Sterbefallzahlen nur im Februar und März unter dem mittleren Wert der Vorjahre - deutlich erhöhte Zahlen im Januar, November und Dezember
In Deutschland und weltweit wurde zu Jahresbeginn 2021 über eine äußerst niedrige Aktivität anderer Atemwegserkrankungen als COVID-19 berichtet. Besonders deutlich wurde dies bei der Grippe. Die Stärke von Grippewellen hat sich in der Vergangenheit auch in den gesamten Sterbefallzahlen widergespiegelt und zu erhöhten Fallzahlen in den Wintermonaten geführt. Im Januar 2021 - noch während der zweiten Coronawelle - lagen die Sterbefallzahlen in Deutschland insgesamt 26 % über dem mittleren Wert der vier Vorjahre. In diesem Monat deckten sich die zusätzlichen Sterbefälle nahezu komplett mit den beim Robert Koch-Institut (RKI) gemeldeten COVID-19-Todesfällen.
Durch die nahezu ausgefallene Grippewelle in der Saison 2020/2021 und trotz der neu aufgetretenen COVID-19-Todesfälle lagen die gesamten Sterbefallzahlen dann im Februar (-1 %) und im März (-6 %) unter dem Vergleichswert der Vorjahre. Während der dritten Coronawelle im April (+4 %) und Mai (+7 %) lagen sie wieder darüber. Im Juni (+8 %) fielen die erhöhten Sterbefallzahlen mit einer Hitzewelle zusammen und hatten ihren höchsten Ausschlag in der 24. Kalenderwoche (14. bis 20. Juni), dem Höhepunkt der Höhepunkt der Hitzewelle mit +17 %. Im Juli lagen die Sterbefallzahlen noch etwas über dem mittleren Wert der Vorjahre (+3 %), im August lagen sie in dessen Bereich. Im September (+11 %) und Oktober (+12 %) lagen die Sterbefallzahlen wieder deutlich über dem Vergleichswert der Vorjahre. Die Sterbefallzahlen für November und Dezember übertrafen während der vierten Coronawelle den Vergleichswert nochmals stärker: So starben im November 22 % und im Dezember 25 % mehr Menschen als im Mittel der vier Vorjahre.
Die gemeldeten COVID-19-Todesfälle im Herbst und zum Jahresende 2021 erklären die erhöhten Sterbefallzahlen nur zum Teil. Für den zusätzlichen Anstieg der Sterbefallzahlen sind mehrere Ursachen denkbar: So können hier unerkannte COVID-19-Todesfälle (Dunkelziffer) oder die zeitliche Verschiebung von Sterbefällen innerhalb eines Jahres infolge der zum Jahresbeginn ausgefallenen Grippewelle eine Rolle spielen (sogenanntes "mortality displacement"). Möglicherweise zeigen sich auch die Folgen verschobener Operationen und Vorsorgeuntersuchungen. Der Beitrag einzelner Effekte lässt sich allerdings derzeit nicht beziffern.